«Endometriose ist eine chronische Krankheit und muss langfristig behandelt werden»

Fast jede zehnte Frau ist von Endometriose betroffen. PD Dr. Patrick Imesch ist Gynäkologe und Spezialist für dieses häufige Krankheitsbild, welches oft mit starken Schmerzen verbunden ist. Die Beschwerden können auch mit konservativen und naturheilkundlichen Ansätzen angegangen werden, erklärt er im Interview.

«natürlich»: Es gibt verschiedene Formen und Stärkegrade von Monatsbeschwerden. An was kann Frau erkennen, dass sie möglicherweise an Endometriose leidet?

Patrick Imesch: Die Wahrnehmung von Schmerzen ist individuell sehr unterschiedlich und lässt sich demnach nicht in eine allgemein gültige Formel verpacken. Suspekt ist sicherlich, wenn man regelmässig Schmerzmittel während den Menstruationen einnehmen muss und wenn die Menstruationen von der betroffenen Frau jeweils regelrecht ersorgt wird. Wenn zudem regelmässig Ausfälle in der Schule oder am Arbeitsplatz dazu kommen, ist eine weiterführende Abklärung sicherlich sinnvoll.


Was genau ist eigentlich Endometriose?

Endometriose definiert sich durch das Vorhandensein von gebärmutterartiger Schleimhaut ausserhalb der Gebärmutter. Sehr häufig wachsen diese Schleimhautinseln im Bereich des Bauchfells, an den Eierstöcken. Manchmal wachsen diese Herde auch in benachbarte Organe und Strukturen ein, beispielsweise den Darm, die Blase und so weiter.

Was für Symptome kann Endometriose auslösen?

Die Symptome können sehr unterschiedlich sein, was mitunter auch die langen Latenzzeiten zwischen den Erstsymptomen und der Diagnosestellung erklären kann. Zu den typischen Symptomen gehören aber starke Menstruationsbeschwerden, chronische Unterbauchschmerzen, Schmerzen beim Wasserlösen und Stuhlgang, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Endometriose ist einerseits eine Schmerzerkrankung, sie kann aber andererseits aber auch eine Ursache für eine ungewollte Kinderlosigkeit sein.


Wie viele Frauen sind prozentual etwa von Endometriose betroffen?

Man geht davon aus, dass immerhin sechs bis zehn Prozent der Frauen in der reproduktiven Phase ihres Lebens von Endometriose betroffen sind. Für die Schweiz bedeutet das, dass derzeit mindestens 190 000 Frauen davon betroffen sind.

Gibt es einen Zusammenhang mit dem Alter?

Die Erkrankung manifestiert sich vor allem in der reproduktiven Phase des Lebens, das heisst in der Phase, in der die Frauen menstruieren. Die Diagnose erfolgt meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, wobei dann häufig schon eine mehrjährige Leidensgeschichte vorangegangen ist.

Inwiefern wirkt sich Endometriose auf die Empfängnis und Schwangerschaft aus?

Endometriose kann mit erschwerter Schwangerschaftsentstehung assoziiert sein, muss aber nicht, was ganz wichtig ist. In spezialisierten Kinderwunschsprechstunden sind Endometriosepatientinnen aber überdurchschnittlich häufig vertreten. Ungefähr 30 bis 50 der Frauen mit Endometriose zeigen Veränderungen in der Fruchtbarkeit. Man darf allerdings festhalten, dass schlussendlich gleichwohl 60–70 % der betroffenen Frauen spontan schwanger werden können.


Gibt es auch Fälle von Endometriose, welche weitgehend symptomlos sind?

Das ist auch möglich. Es kommt gelegentlich vor, dass man zufälligerweise eine Endometriose entdeckt, beispielsweise im Rahmen einer anderen Operation. Bei einer asymptomatischen Endometriose ist keine Therapie notwendig, die Endometriose hat dann keinen Krankheitswert. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine milde, asymptomatische Endometriose später Probleme macht, wird insgesamt als klein angesehen.


In welchen Fällen empfiehlt sich eine Behandlung oder gar ein operativer Eingriff?

Eine Behandlung empfiehlt sich in allen symptomatischen Fällen. Endometriose ist eine chronische, entzündliche und hormonabhängige Erkrankung. Wegen dem chronischen Charakter braucht es einen langfristigen Plan, die Hormonabhängigkeit bietet eine therapeutische Option. Heutzutage wird in den meisten Fällen primär eine medikamentöse Therapie, beispielsweise mit Gelbkörperhormonen empfohlen. Eine Operation ist dann nötig, wenn die Schmerzen medikamentös nicht beherrschbar sind, wenn die Medikamente nicht toleriert werden, wenn Organe darunter leiden, beispielsweise eine Einengung des Darmtraktes oder der Harnleiter. Eine Operation wird zudem häufig auch bei unerfülltem Kinderwunsch geplant.

Wie wird bei einer Operation vorgegangen?

Ziel ist die vollständige Entfernung aller sichtbaren Endometrioseherde und die Wiederherstellung der Anatomie. Dies sind häufig sehr aufwendige und schwierige Operationen. Idealerweise werden solche Operationen deshalb durch Spezialist*innen durchgeführt, welche auch interdisziplinär arbeiten.


Gibt es auch Möglichkeiten zu einer naturheilkundlichen Behandlung?

Diese Möglichkeit gibt es und ist auch sinnvoll. Aus meiner Erfahrung erzielt man die besten Resultate, wenn man die Frauen in einem multimodalen Therapiekonzept betreut. Innerhalb dieses Konzepts gehören durchaus auch naturheilkundliche Behandlungsoptionen.


Welche pflanzlichen Wirkstoffe können Beschwerden lindern?

Es gibt zahlreiche bioaktive Verbindungen aus Pflanzen, die nachweislich hemmende Wirkung auf die Endometriose haben. Die wissenschaftliche Datenlage ist derzeit aber leider noch sehr beschränkt. Man weiss aber beispielsweise das Granatapfel antiproliferative und antiaromatase Eigenschaften haben, welche in der Entstehung der Endometriose bedeutsam sind. Vom Mönchspfeffer sind dopaminerge und prolaktinsenkende Eigenschaften, und eventuell Aktivität an Östrogen-, Endorphin- und Opioidrezeptoren beschrieben.

Nach dem Studium in Bern hat sich PD Dr. Patrick Imesch in grossen gynäkologischen Zentren breit aus- und weiterbilden können. Als langjähriger Kaderarzt im Universitätsspital Zürich konnte er im gesamten Spektrum der Gynäkologie sowohl im konservativen wie auch operativen Gebiet grosse Erfahrung sammeln. Wichtige Schwerpunkte seiner klinischen Tätigkeit stellen dabei die Diagnose und Therapie bei Endometriose und unklaren, chronischen Unterbauchschmerzen dar. Seit 2021 betriebt er eine eigene Praxis mit Schwerpunkt Endometriose in der Klinik Bethanien in Zürich.

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