«Ein Wochenendkurs reicht nicht»
Auch bei der Behandlung von Tieren mit Komplementärmedizin braucht es hohe Standards, sagt der Präsident des Berufsverbands der Tierheilpraktiker*innen Beat Hug. Ein Gespräch über Wunderheiler, Wochenendkurse in Homöopathie und den langen Weg zur Berufsanerkennung.
Interview: Tanya Karrer, Dakomed
Tanya Karrer: Sie sind Tierheilpraktiker. Wann und warum kommen tierische Patienten zu Ihnen?
Beat Hug: Etwa zwei Drittel der Fälle, die ich behandle, haben Magen-Darm-Probleme. Entzündungen des Magens, der Bauchspeicheldrüse, der Galle oder des Darms, einzeln oder in Kombination. Oft sind es Patienten mit einer jahrelangen Leidensgeschichte. Ich hatte mal einen Schäferhund, der musste jede Nacht wegen Durchfalls zweimal raus. Da leidet auch der Besitzer mit.
«Die Mechanismen, die zu einem Behandlungserfolg führen, sind vielfältig. »
Konnten Sie Hund und Tierhalter helfen?
Nach einer Woche war der Hund stabil. Wir hatten seine Fütterung angepasst und mit Homöopathie ergänzt. Mit einer wesensgerechten Fütterung kann ich etwa 95 Prozent dieser Patienten helfen.
Dann sind Sie ein Wunderheiler.
Nein! Wir Tierheilpraktiker sind keine Wunderheiler, auch wenn das viele behaupten. Wir berühren das Tier nicht für drei Sekunden und dann ist es geheilt. Ich finde Heilung sowieso ein schwieriges Wort. Was ist sie? Wie lange dauert sie an? Lieber spreche ich von Behandlungserfolg. Die Mechanismen, die zu einem Behandlungserfolg führen, sind vielfältig. Sie hängen von mir als Therapeut ab, von meiner Ausbildung, von meiner Erfahrung, vom Tier selbst, aber auch vom Tierhalter. Wir alle müssen eine Symbiose eingehen, um eine Veränderung herbeizuführen.
Das klingt nach einem ganzheitlichen Ansatz.
Auch hier frage ich mich: Wie weit reicht Ganzheitlichkeit? Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Nehmen wir das Beispiel eines Hundes, der mit Hormonstäbchen chemisch sterilisiert wurde. Die Halterin meint, seit der Sterilisation verhalte sich der Hund schwierig. Aber ist das Hormonstäbchen wirklich der Auslöser dafür? Es gibt so viele Einflüsse.
Welche sind das?
Impfungen, das Futter, die Einwirkung des Halters oder die Haltungsbedingungen. Für mich beginnt dann die Detektivarbeit, Stück für Stück setze ich ein Puzzle zusammen. Jedes Tier ist zudem individuell. Zwanzig Tiere können ähnliche Symptome zeigen, aber nicht bei allen führt die gleiche Therapie zum Erfolg. Diese Frage hat mich übrigens dazu bewogen, Tierheilpraktiker zu werden: Warum wirken nicht alle Medikamente oder Therapien bei allen Individuen gleich? Sei es in der Schulmedizin oder in der Komplementärmedizin.
Haben Sie eine Antwort gefunden?
Nein, keine endgültige. Aber ich denke, es hat viel mit der Persönlichkeit des Therapeuten zu tun. Respekt, Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen für das Gegenüber sind entscheidend.
Sind Tierheilpraktikerinnen und -praktiker in diesen Bereichen den Tierärztinnen und -ärzten gegenüber im Vorteil?
Nicht unbedingt, wie gesagt hängt viel von der Persönlichkeit der behandelnden Person ab. Wir Tierheilpraktiker können weder operieren noch impfen. Nur in der Prophylaxe sind wir der Veterinärmedizin voraus. Wir können Tierhalter sensibilisieren und darin schulen, aufmerksam zu sein und Anzeichen frühzeitig zu erkennen, damit eine Krankheit gar nicht erst ausbricht.
«Respekt, Aufmerksamkeit und Einfühlungsvermögen für das Gegenüber sind entscheidend.»
Aber Sie sind stark in komplementären Behandlungsmethoden, oder?
Mitglieder des Berufsverbands der Tierheilpraktiker*innen Schweiz, (www.tierheilpraktikerverband.ch) kurz BTS, müssen neben einer umfassenden schulmedizinischen Bildung bis zu 600 Stunden Ausbildung in ihrem komplementärmedizinischen Behandlungsgebiet nachweisen, zum Beispiel in Homöopathie (www.millefolia.ch/homoeopathie-fuer-das-tier/), und sich laufend darin weiterbilden. In der Schweiz darf aber auch jemand, der nur einen Wochenendkurs in Homöopathie besucht hat, homöopathisch arbeiten.
Deutschland versuchte dem Wildwuchs beizukommen, indem es bis 2022 nur Tierärzten erlaubte, Homöopathika zu verschreiben.
Dagegen wehrten sich aber Tierheilpraktikerinnen und -praktiker. Haustiere, nicht Nutztiere, dürfen sie wieder behandeln. Wichtig ist, dass alle Therapeuten, die komplementär- oder alternativmedizinisch arbeiten, über eine fundierte Ausbildung und Erfahrung in den Therapiemethoden (Therapiemethoden – BTS – Berufsverband Tierheilpraktikerinnen) verfügen. Es würde sich ja auch niemand trauen, nach einem Wochenendkurs in Chirurgie im Spital Operationen durchzuführen.
Setzen Sie sich deshalb als Präsident des Berufsverbands der Tierheilpraktiker*innen Schweiz BTS, für hohe Ausbildungsstandards ein?
Ja, unsere Mitglieder müssen neben der erwähnten umfassenden Ausbildung in ihrem komplementärmedizinischen Fachgebiet und in der Schulmedizin zusätzlich 200 Stunden Verhaltens- und Haltungsbiologie vorweisen.
Aber auch ohne diese umfassende Ausbildung darf man sich Tierheilpraktiker nennen und Tiere behandeln?
Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Deshalb gibt es zu viele Tierheilpraktikerinnen und -praktiker, aber zu wenige mit einer fundierten Ausbildung. Der BTS setzt sich deshalb für eine Reglementierung ein.
Zu diesem Zweck hat der Verband im vergangenen Jahr eine Organisation der Arbeit OdA, gegründet. Was ist ihre Aufgabe?
Die Aufgaben sind vielfältig und umfassen ein weites Feld, auch weil es die unterschiedlichsten Heilmethoden und Ansätze gibt. Wir pflegen zum Beispiel den Austausch mit verschiedensten Interessensgruppen und bringen sie zusammen an einen Tisch, um gemeinsam Standards für die Ausbildungen von Tierheilpraktikerinnen und -praktikern erarbeiten. Auch die Lehrgänge an den Ausbildungsstätten müssen angepasst werden, um eine fundierte Ausbildung nach den Vorgaben zu ermöglichen.
Eine Herkulesaufgabe!
Tatsächlich gehen die Vorschläge, die derzeit diskutiert werden, über das hinaus, was für die Human-Naturheilkunde gilt. Hier muss ein Konsens gefunden werden. Aber auch dann bleiben Herausforderungen. Zum Beispiel: Wer kontrolliert die Einhaltung der Auflagen? Welche Sanktionen gibt es, wenn sich jemand nicht daran hält? Wer darf ausbilden?
Der BTS ist ein kleiner Verband. Kann er das überhaupt schultern?
Wir strecken uns immer wieder nach der Decke. Wenn wir es nicht tun, wer tut es dann? Das Interesse an den Zielen der Arbeit der OdA und des Verbands ist von vielen Seiten vorhanden. Deshalb klären wir weiter auf und bleiben dran. Zudem habe ich als Tierheilpraktiker meine Berufung gefunden. Wenn mir ein Halter erzählt, dass er wieder durchschlafen kann, weil der Hund dank der Behandlung nachts nicht mehr raus muss, dann weiss ich, dass ich mit meinem Engagement für gut ausgebildete Tierheilpraktikerinnen und -praktiker auf dem richtigen Weg bin. •
Das Interview wurde von Millefolia, dem Schweizer Infoportal für Komplementärmedizin, übernommen.
BEAT HUG
Beat Hug behandelt als selbständiger Tierheilpraktiker seit 15 Jahren Hunde, Pferde und Nutztiere. Er präsidiert den Berufsverband der Tierheilpraktiker*innen Schweiz BTS. Der 1998 gegründete Berufsverband der Tierheilpraktiker*innen Schweiz BTS zählt rund 50 Aktivmitglieder, an die er hohe Anforderungen hinsichtlich der Ausbildung stellt. Neben der Stärkung der Alternativ-, Komplementär- und Integrativmedizin strebt der BTS eine schweizweit einheitliche Berufsanerkennung und Praxisbewilligung für Tierheilpraktikerinnen und -praktiker an.