«Der Stein sei mit dir»

Ob als Leiter im Wasserglas, als Talisman unter dem Kopfkissen oder als Gesichtsroller: Edelsteine mit Heilkräften sind gefragt. Doch was bewirken sie eigentlich?

Angela Bernetta

Von kosmischen Urgewalten geschaffen, formten und prägten Feuer, Erde, Wind und Wasser Steine und Mineralien während Jahrmillionen. Dass insbesondere Edelsteine eine magische Wirkung haben, die weit über ihre optische Anziehungskraft hinausgeht, glaubt man nicht erst seit gestern. Bereits unsere Vorfahr* innen sollen Amulette aus Stein zum Schutz vor bösen Kräften getragen oder Werkzeug daraus gefertigt haben. «Die Heilkraft der Steine wird seit Jahrtausenden von Völkern weltweit mit Gesundheit, Schutz, Heilung, Liebe oder gar Unsterblichkeit in Verbindung gebracht», sagt die Naturheilkundlerin Gaby Lisa Helk Laux von der Naturheilschule-Schweiz. «Die Traditionelle Chinesische Medizin befasst sich genauso wie die Indische Medizin seit Jahrtausenden mit Heilsteinen.»

Auch Hildegard von Bingen (1098–1179) räumte den Steinen eine von Gott gegebene Heilkraft ein. Die Universalgelehrte verortete in jedem Edelstein eine transformierende Kraft, die in der Lage ist, negative in positive Kräfte umzuwandeln. Mit der New-Age-Welle in den 1980er-Jahren schwappte die esoterische Steinheilkunde auf die westliche Welt über. Zwar ist die Lithotherapie keine wissenschaftlich anerkannte Therapie, doch eine der ältesten Heilkunden der Menschheit.

Grosses Angebot, viele Anwendungsmöglichkeiten

Doch steigert Rosenquarz die Lebensfreude tatsächlich und sorgen Bergkristalle für Ruhe und Harmonie? «Jeder Heilstein wirkt in seiner Form, seiner Farbe und Struktur anders», erklären Bruno Vogler Pfeiffer und Maja Pfeiffer von der Heilsteinschule Schweiz in Asp/AG. «Heilsteine schwingen und senden dabei sehr feine Frequenzen aus. Diese Schwingungsenergie kann Physis wie Psyche eines Menschen anregen oder ausgleichen.» Gaby Lisa Helk Laux ergänzt: «Heilsteine wirken sich positiv auf die innere Balance, die Lebensenergie, das geistige und körperliche Wohlbefinden des Menschen aus.» Auch Tiere oder Pflanzen sollen davon profitieren können.

Obwohl es keine wissenschaftlichen Belege gibt, die Steinen eine heilende Wirkung auf Körper und Geist bescheinigen (siehe Interview mit Christoph A. Heinrich, Professor für mineralische Rohstoffe an der ETH Zürich), sind im Zuge der Achtsamkeitsbewegung Nachfrage und Glaube an deren glück- und heilbringende Wirkung gestiegen. Dementsprechend gross ist das Angebot rund um die schönen Mineralien, die Anwendungsmöglichkeiten vielfältig. «Als Anhänger, Kette oder Armband getragen, geben die Heilsteine gleichmässig und kontinuierlich ihre Energie und Heilwirkung ab», erklärt Gaby Lisa Helk Laux. «Unbearbeitete Rohsteine werden für Bäder, Edelsteinwasser oder zum Auflegen verwendet.» Man kann Heilsteine auch in der Hosentasche tragen oder unter das Kopfkissen legen. Meditation mit Heilsteinen ist genauso möglich wie Massagen. «In der TCM, im Ayurveda und bei Hildegard von Bingen wurden und werden sie als Pulver, Elixier oder Paste angewendet.» Und wer auf das Raumklima einwirken möchte, verteilt Obelisken, Kugeln oder Pyramiden in Haus oder Wohnung. Da Heilsteine Energie abgeben, sollte man sie regelmässig reinigen und wieder aufladen, sagen Fachleute. Heilstein- Therapien werden häufig durch alternativ- oder schulmedizinische Anwendungen ergänzt. Denn sie liefern keine medizinische Diagnose und sollten ärztlichen Rat oder Hilfe nicht ersetzen.

Jedem Menschen seinen Heilstein

Nicht jeder Heilstein unterstützt jeden, und nicht alle brauchen den gleichen Stein. Die Wahl des richtigen Steins kann intuitiv oder analytisch erfolgen. Während die intuitive Steinwahl aus dem Bauch heraus getroffen wird, orientiert sich die analytische an der Beschaffenheit eines Edelsteins. Grundsätzlich wird jeder Heilstein immer auf den Menschen, die individuelle Situation und das bestehende Problem hin ausgewählt. Essenziell dabei ist, dass der Stein echt ist, damit die ganze Kraft zum Tragen kommt (siehe «Wie Heilsteine wirken»). «Besonders gefragt sind Strahlenschutzsteine wie der Baryt», wissen Bruno Vogler Pfeiffer und Maja Pfeiffer aus Erfahrung. «Diese Steine neutralisieren nicht nur die Strahlen einer Mobilfunkantenne, sondern auch von PCs, Wasseradern oder geologischen Verwerfungen.» Nach Operationen oder bei Verletzungen setzen nicht wenige auf Heilsteine wie den Rhodoniten. Auch Schutzsteine, die drohendes Ungemach abwenden sollen, wie etwa der Lepidolith oder Turmalin, sind beliebt. Und «last but not least» weiss der eine oder die andere bestimmt um den Effekt eines Diamanten, der in Liebensdingen wahre Wunder bewirken kann.

Wie Heilsteine wirken

Heilstein ist nicht gleich Heilstein. Nachstehend finden Sie eine Übersicht über Anwendung und Wirkung von verschiedenen, gebräuchlichen Steinen.

Der Achat ist wegen seiner besonderen Farben nicht nur ein begehrter Schmuckstein. Er soll auch eine schützende sowie heilende Wirkung haben, die innere Balance unterstützen, das Selbstbewusstsein und das Bindegewebe stärken. Auch wird der Achat als Glücksstein bei einem Neubeginn angewendet.

Hell- bis dunkel-violett ist er einer der schönsten und wertvollsten Edelsteine: der Amethyst. Ihm wird eine beruhigende Wirkung auf die Nerven und das Herz nachgesagt und eine Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit. Unter dem Kopfkissen soll der helle Amethyst zu einem ruhigen Schlaf verhelfen und vor Albträumen schützen.

Wegen seiner blauen Farbe ist der Aquamarin ein begehrter Schmuckstein. Als Heilstein soll er Depressionen vertreiben, innere Ruhe und das geistige Wachstum fördern.

Im antiken Griechenland wurde der Aventurin als Stein, der Optimismus, Mut, Ehrgeiz und Zielstrebigkeit verleiht, geschätzt. Wegen seiner glitzernden Chromglimmereinschlüsse und der intensiven grünen Farbe wird ihm in China eine potenzfördernde Wirkung nachgesagt.

Der durchsichtige Bergkristall symbolisiert Reinheit und soll Klarheit und Ordnung schaffen, der Intuition zuträglich sein sowie harmonische Schwingungen begünstigen. Auch eine beruhigende und energiespendende Wirkung auf Körper und Geist wird dem Heilstein nachgesagt.

Die indigenen Völker Mexikos glaubten an den Sonnenkraft speichernden Effekt des Calcits, die er nachts wieder abgibt. Auch eine Lebensenergie und Kraft spendende Wirkung wird dem Stein nachgesagt.

Im alten Ägypten galt der Karneol als Stein der Lebenskraft und Erneuerung. Man findet ihn heute noch bei archäologischen Ausgrabungen als Grabbeilage.

Der rote Jaspis gilt als einer der kostbarsten Steine der Antike und wird bereits in der Bibel erwähnt. In der Antike galt er als Schutzstein, der zudem Harmonie und Glück aber auch Mut und Willenskraft verleihen soll.

Der Rosenquarz soll positive Energie in Beziehungen bringen, die Verbindung zwischen zwei Menschen vertiefen und die Fruchtbarkeit fördern. Ferner kann der Heilstein Kopfschmerzen lindern, unter das Kissen gelegt Depressionen und Schlafstörungen mildern und das Hautbild verbessern, weshalb er häufig als Gesichtsroller gebraucht wird.

Im antiken Griechenland wurde der Sodalith als Heil- und Schutzstein verehrt. Ferner schrieben sie ihm eine unterstützende Wirkung bei der Entfaltung einer künstlerischen Begabung zu. Auch soll er den Stoffwechsel in den Wechseljahren regulieren.

Quelle: Naturheilschule-Schweiz, Heilsteinschule Schweiz

 

«Die heilende Kraft der Steine ist ein Mythos»

Christoph A. Heinrich, Professor für mineralische Rohstoffe an der ETH Zürich, erklärt, was ihn an Steinen und Mineralien fasziniert und wie sich deren Potenzial sinnvoll nutzen lässt.

Interview: Angela Bernetta

«natürlich»: Welche Bedeutung haben Steine und Mineralien für Sie? Christoph

A. Heinrich: Steine und Mineralien sind Zeitzeugen geologischer Entwicklungsprozesse. Sie verraten beispielsweise, dass sich während der Alpenbildung 100 Kilometer tief unter der Erdoberfläche Gesteinsschichten befanden. Bestimmte Mineralien enthalten essenzielle Rohstoffe wie etwa Kupferkies als wichtigste Quelle für die Herstellung von Kupfer. Und als Mineraliensammler gefiel mir natürlich die Schönheit der Kristalle bereits als Bub.

Was fasziniert Sie an Steinen und Mineralien?

Mich fasziniert die äussere Form von Kristallen als Folge ihres mikroskopischen Atombaues. Die Symmetrie der Kristallstrukturtypen ist beeindruckend. So sind alle Kochsalzkristalle würfelförmig, während jeder Quarzkristall sechseckig ist.

Wieso glauben Menschen an die heilende Kraft von Steinen und Mineralien?

Vielleicht vermitteln die Schönheit und Regelmässigkeit der Steine ein Gefühl von Sicherheit und Ordnung. Oder die Freude an den Steinen und Mineralien hilft den Menschen, gesund zu bleiben.

Gibt es Studien, welche die Wirkung von sogenannten Heilsteinen belegen?

Nein. Es gibt keine wissenschaftlich belegten Studien, die Steinen eine heilende Wirkung auf Körper und Geist bescheinigen. Die heilende Kraft der Steine ist ein Mythos, der nicht zuletzt auch kommerziellen Zwecken dient.

Welche Kraft liegt Steinen und Mineralien inne?

Kristalle haben durchaus physikalische Effekte. So bewirkt etwa die Spiralsymmetrie der Quarzkristallstruktur, wenn mechanisch belastet, eine elektrische Spannung zwischen den Kristallpolen, die sogenannte Piezoelektrizität. Piezoelektrische Drucksensoren sind aus vielen technischen Einrichtungen nicht mehr wegzudenken; von Barometern über Quarzuhren bis hin zur Steuerung von Verbrennungsmotoren.

 

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