Das Leiden der Männer

Viele Männer ab 50 haben eine vergrösserte Prostata. Häufig machen sich die Symptome nur schleichend bemerkbar. Nicht immer ist eine Therapie oder Operation nötig. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Fabrice Müller

Sie befindet sich unterhalb der Harnblase und umgibt den obersten Anteil der Harnröhre. Die Prostata, auch Vorsteherdrüse genannt, produziert ein Sekret, das zusammen mit dem Samen beim Samenerguss ausgestossen wird. Mit zunehmendem Alter kommt es häufig zu einer gutartigen Vergrösserung der Prostata. Erbliche Veranlagung, das männliche Geschlechtshormon und vor allem das Alter spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieser Vergrösserung. So sind bereits rund 40 Prozent der Männer im Alter von 50 Jahren davon betroffen und bei den 80-Jährigen sind es sogar über 90 Prozent. Somit gilt die gutartige Prostatavergrösserung als die häufigste Erkrankung der Prostata.

Aktiver und gesunder Lebenswandel

Im Gegensatz zur Behandlung ist die wissenschaftliche Datenlage rund um die Prävention von Prostata-Beschwerden laut Dr. med. Karim Saba, Facharzt für Urologie an der Hirslanden Klinik in Aarau, weniger ergiebig. Hingegen sei ein Zusammenhang zwischen dem metabolischen Syndrom – bestehend aus Übergewicht, Bluthochdruck, Fett- und Blutzuckerstoffwechselstörung – und Prostata-Beschwerden gesichert. Somit können sich ein aktiver Lebenswandel, die Kontrolle des Körpergewichts und eine gesunde Ernährung positiv auf die Entwicklung von Prostata-Beschwerden auswirken.

Aus homöopathischer Sicht spielen die Ernährung und Bewegung eine wichtige Rolle für den Organismus und das Immunsystem, ist Rémy Schnell, Naturheilpraktiker mit Fachrichtung Homöopathie in Zürich, überzeugt. «Eine gute Ernährung und regelmässige Bewegung stärken die Lebenskraft, das Immunsystem und schützen vor Entzündungen», sagt der Homöopath. Gewisse Gemüse und Früchte wie Tomaten, Gurken, Äpfel, Birnen, Haselnüsse und Leinsamen wirken sich offenbar ebenfalls positiv auf die Entwicklung der Prostata aus. Meiden sollte man hingegen allzu viel Süsses und Scharfes, ebenso ein Übermass an tierischen Fetten.

Auf den Körper achten

Je nachdem, wie ausgeprägt die Prostatavergrösserung ist und wie stark sie den Urinabfluss durch die Harnröhre behindert, fallen die Beschwerden unterschiedlich aus. Häufige Beschwerden sind ein abgeschwächter Harnstrahl, vermehrter Harndrang, häufigeres Wasserlassen während der Nacht und das Gefühl einer unvollständigen Blasenentleerung. «Solche Symptome entstehen oft schleichend. Folglich ist es möglich, dass es der Patient lange nicht bemerkt und sich die Situation seiner Prostata langsam verschlechtert», erklärt Karim Saba und spricht in diesem Zusammenhang von einem Gewöhnungseffekt. Entscheidend sei hier die Dynamik: Wenn die Zahl der Toilettengänge in der Nacht innerhalb einer kurzen Zeit stark ansteige, werde eine genauere Untersuchung der Prostata empfohlen. «Die häufigen Toilettengänge sind das eine, die Durchschlafstörungen und die damit verbundene Tagesmüdigkeit das andere», gibt Karim Saba zu bedenken.

Blasenschaden und Nierenstauungen

Oft kann es zu einer Restharnbildung in der Blase kommen, was als störend empfunden wird und zu häufigeren Toilettengängen führten kann. Durch den gestörten Urinabfluss bei einer Prostatavergrösserung wird ferner die Entstehung von Harnwegsinfekten begünstigt. Es gibt aber auch dauerhafte Folgen: «Wenn die Blase wegen einer vergrösserten Prostata schrittweise weniger gut entleert werden kann, riskiert man bei zu hoher Restharnbildung eine Schädigung des Blasenmuskels, was zusätzlich die Entleerung erschwert», warnt der Urologe.

Deshalb möglichst wenig zu trinken, sei jedoch nicht zu empfehlen. Viel Trinken ist gesund, und die Blasenentleerung werde durch das wenige Trinken nicht verbessert. Es sei auch möglich, dass bei schlechter Blasenentleerung der Harn nach oben in eine der Nieren rückstaut und bei fehlendem Erkennen des Problems durch den Druck die Niere schädige. Lebensbedrohlich kann ein Nierenstau laut Karim Saba dann werden, wenn die Nierenfunktion dadurch nachhaltig schlechter wird. Die Niere kommt dann ihrer Entgiftungsfunktion nicht mehr nach, sodass nicht ausgeschiedene Harnstoffe den Körper schädigen. Ein weiteres Anzeichen einer Prostatavergrösserung kann eine Blutbeimengung im Urin sein. In diesem Fall geht etwas Blut von einem Gefäss der vergrösserten Prostata in den Urin ab. «Sichtbares Blut im Urin sollte immer medizinisch abgeklärt werden, da auch ein Blasenkrebs sich auf diese Weise bemerkbar machen kann», sagt Karim Saba.

Auf Wahrnehmung achten

Der Gang zum Urologen kostet den Betroffenen oft Überwindung. Die Schulmedizin empfiehlt eine solche Konsultation beim beschwerdefreien Mann ab dem 50. Lebensjahr. Dies hat damit zu tun, dass die Vorsorge der häufigsten Krebsart des Mannes – dem Prostatakrebs – ab diesem Alter als sinnvoll gilt. Als Homöopath rät Rémy Schnell seinen Patienten, auf die Wahrnehmungen ihres Körpers zu achten und bei Problemen mit dem Urinieren genauer hinzuschauen. «Entzündungen an der Prostata müssen nicht erst mit 50, sondern können auch bereits früher auftauchen und sind meist hormonell bedingt.»

Verschiedene Untersuchungen

Diagnostiziert wird die gutartige Prostatavergrösserung aufgrund der Beschwerden, der Krankheitsgeschichte und mithilfe von Untersuchungen. Die Prostata kann durch den Urologen über den Enddarm auf Verhärtungen abgetastet werden. Neben einer Ultraschalluntersuchung der Nieren, der Prostata und der Menge des zurückgelassenen Urins in der Harnblase wird auch eine Blutuntersuchung (PSA-Wert) und eine Urinuntersuchung durchgeführt, um Hinweise auf andere Krankheitsbilder des Harntrakts zu erhalten. Sollte tatsächlich der Verdacht auf ein Prostatakrebs bestehen, wird häufig eine MRI durchgeführt und je nach Befund eine Gewebeprobeentnahme angestrebt.

Karim Saba ist sich bewusst, dass beim Thema Prostata Feingefühl in der Kommunikation mit den Patienten angesagt ist. «Solange die Gesundheit des Patienten nicht in Gefahr ist, braucht es in der Regel keine besonderen Massnahmen. Patienten können idealerweise von verschiedenen für sie in Frage kommenden Behandlungen auswählen.» Rémy Schnell legt Wert darauf, den Betroffenen die verschiedenen Behandlungswege aufzuzeigen – zum Beispiel rein homöopathisch oder in Kombination mit der Schulmedizin.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Die Wahl der Behandlung ist abhängig vom Schweregrad der Beschwerden und vom Grad der Beeinträchtigung. Bei geringfügigen Beschwerden ist, so Karim Saba, häufig keine Behandlung notwendig. Sind die Beschwerden für den Patienten im Alltag störend, kann eine Behandlung der vergrösserten Prostata mit Medikamenten angeboten werden. Zur medikamentösen Behandlung stehen pflanzliche und nicht-pflanzliche Arzneimittel zur Verfügung. Wie Karim Saba informiert, kommen dabei häufig als erste Wahl α-Blocker (sogenannte Alpha-Blocker) zum Einsatz. Diese Mittel erleichtern die Blasenentleerung, indem sie die Muskeln der Prostata entspannen. Sollte das nicht ausreichen, kann als weitere medikamentöse Stufe zusätzlich ein 5α-Reduktase- Hemmer eingenommen werden. Über einen verringerten Spiegel des Hormons Dihydrotestosteron wird die Prostata hierdurch kleiner und die Symptome verbessern sich im Verlauf von mehreren Monaten.

Diese Medikamente können aber auch zu mehr Nebenwirkungen wie etwa Erektionsproblemen führen. Bei starken Beschwerden, einem kompletten Harnverhalt, einer unzureichenden Linderung der Beschwerden durch Medikamente oder wiederholten Blasenentzündungen empfiehlt Karim Saba eine Operation. Das häufigste dieser Operationsverfahren – die sogenannte «kleine Prostataoperation» – wird über die Harnröhre ohne Hautschnitt durchgeführt.

Akut- und Konstitutionsmittel

Die Homöopathie unterscheidet zwischen Akut- und langfristigen Mitteln, die auf die Konstitution des Patienten einwirken und stets individuell zusammengestellt werden.«Akut-Mittel lindern die Symptome kurzfristig und führen zu einer spürbaren Linderung der Beschwerden », erklärt Rémy Schnell. Konstitutionelle Mittel indes stärken den Menschen als Ganzes langfristig und schützen ihn vor weiteren Entzündungen oder Infektionen. Ein gestärktes Immunsystem könne ferner zu einer Verringerung der Prostata beitragen. Bei einer kombinierten Behandlung mit Schulmedizin und Homöopathie sei es das Ziel, allfällige Nebenwirkungen der schulmedizinischen Medikamente zu behandeln und zugleich die Konstitution zu stärken. Im Falle einer Operation helfen homöopathische Akutmittel bei Nebenwirkungen. «Im Sinne einer langfristigen Begleitung des Patienten sowie einer Prophylaxe trägt die Homöopathie dazu bei, den Menschen im Gleichgewicht zu halten», ergänzt Rémy Schnell.

Präparate mit Kürbiskernen …

Kürbiskerne gelten als das Volksmittel gegen Prostatabeschwerden. Grund dafür ist die Beta-Sitosterin-Verbindung, die in den Kürbiskernen vorkommen soll. Von dieser Substanz vermuten Forschende, dass sie die Umwandlung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron in einen anderen Stoff hemmen kann, der das gutartige Wachstum der Prostata fördert. Auch wenn es vorsichtige Hinweise darauf gibt, dass Beta-Sitosterin eine solche Wirkung auf die Prostata haben könnte, ist die Studienlage dazu noch unklar. Teilweise positive Erfahrungen macht Karim Saba mit solchen pflanzlichen Arzneien: «Es gibt Patienten, bei denen Kürbiskern-Produkte in Kombination mit anderen Extrakten zu einer Linderung der Prostata-Beschwerden geführt haben. Grundsätzlich ist es unser Ziel, so wenige Medikamente wie möglich zu verschreiben.»

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