Das Geheimnis von ­Weihnachten liegt im Herzen

Warum Weihnachten eine Herzensangelegenheit ist, welchen Sinn wir heute noch dem Geheimnis des Weihnachtsfestes abgewinnen können und wie der Brauch der Weihnachtsbescherung ­zustande kam – diesen und weiteren Fragen gehen wir auf den Grund.

Barbara Zanetti, Illustration: Sonja Berger

 

Weihnachten ist in unserem Kulturkreis immer noch das beliebteste der christlichen Feste, während für das Christentum das Osterfest als wichtigstes im Festkalender gilt. Erinnerungen an die eindrücklichen Bräuche und Rituale der Weihnachtszeit in der Kindheit steigen bei vielen Menschen auf. Sehnsüchte werden wach. Sehnsüchte nach Zuhausesein, nach Geborgenheit und Frieden, nach Angenommensein und Geliebtwerden. Sehnsucht nach einem Licht, das alle Finsternis durchdringt, nach Frieden, der äussere und innere Konflikte zu lösen hilft. Sie stehen im Gegensatz dazu, wie wir das Leben nur allzu oft wahrnehmen und erfahren. Zudem sind viele Bilder und Symbole der Weihnachtsgeschichte auf der ganzen Welt verbreitet: die Jungfrauengeburt, das göttliche Kind als Retter der Menschheit, Engelserscheinungen und Botschaften des Friedens für die Menschen. Sie kommen in Mythen und Märchen vor, sowie auch heute noch in Träumen und inneren Bildern. So feiern Menschen aus anderen Kulturkreisen und Religionen dieses Fest gerne mit uns.

« Viele Bilder
und
Symbole der
Weih­nachts­geschichte sind
auf der
ganzen Welt verbreitet»


Ursprung des Weihnachtsfestes

Die ersten Christ*innen feierten Weihnachten nicht. Erst im 4. Jahrhundert entstand ein Geburtsfest von Jesus. Das Datum von Weihnachten hat sowohl jüdische geistige wie römische geschichtliche Wurzeln. Am 25. Dezember 165 v. Chr. wurde erstmals das jüdische Chanukka-Fest gefeiert. Dieses Licht-Fest wurde begangen aufgrund eines Lichtwunders während der gewalttätigen Auseinandersetzungen der Makkabäer*innen um den Tempel. Aus historischen Gründen wurde zudem vom römischen Kaiser ebenfalls der 25. Dezember gewählt. Das Fest des «sol invictus» (auf lateinisch ist die Sonne männlich), der unbesiegbaren Sonne – vom persischen Mithraskult übernommen – wurde dem als Gott verehrten Kaiser in Rom geweiht. Als das römische Reich das Christentum als Staatsreligion übernahm, wurde dieser Titel Jesus Christus verliehen, als wahre Sonne der Welt.

Bedeutung des Weihnachtsfestes

Zur Zeit der Geburt von Jesus gärte es in Galiläa. Nach einer langen Zeit der Belagerung und Ausbeutung durch verschiedene umliegende Völker, zuletzt durch die Römer*innen, war die Sehnsucht nach Erlösung und Befreiung gross. Politische Gruppierungen wie die Zelot*innen strebten diese im Aussen an, durch einen Aufstand. Andere, dazu gehörten die alttestamentarischen Propheten, verhiessen eine Lösung durch einen besonderen Menschen. Ein «Knecht Gottes», welcher vom Höchsten auserwählt wurde, ein «Immanuel» – zu deutsch «Gott mit uns», ein «Spross aus dem Stamme Isais», also aus dem Volk der Israelit*innen selbst, werde erscheinen, und die Bedrängten, die Geplagten, die Ausgegrenzten, die Armen und die Kranken befreien, heilen und einen Frieden bringen, wie er noch nie erlebt wurde.

Durch verschiedene Zeichen, so auch eine besondere Sternenkonstellation, wurde die Geburt von Jesus erkannt als Erfüllung dieser alten Weissagungen. Das Leben und Wirken von Jesus erwies sich dann für viele Menschen als heilsam und gesundmachend, als eine Erlösung und Befreiung von persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Fesseln. Sein Anliegen war und ist es immer noch, Menschen in Verbindung zum göttlichen Geheimnis zu bringen, welches in ihnen selbst liegt. Es braucht keine äusseren Rituale und Institutionen, alles ist angelegt in uns, da wir Menschen nach dem Abbild von Gott geschaffen wurden.


Das Herz als Erkenntnis- und ­Wahrnehmungsorgan

Die geistliche Erforschung und Erfahrung der spirituellen Praxis, die Wissenschaft der christlichen Mystik, betont, dass das Herz das grundlegende Organ ist für die Erkenntnis Gottes. Für die Erforschung aller Gegenstände braucht es das passende Werkzeug. Zum Untersuchen von Galaxien ist ein starkes Teleskop nötig, für Analysen der körperlichen Gesundheit hingegen sind Stethoskop und Laboreinrichtungen erforderlich. Hier sind auch Logik und Verstand mitbeteiligt. Da das göttliche Geheimnis Logik und Verstand überschreitet, kann es damit nicht erkannt werden.

Das Herz jedoch ist einerseits ein physisches zentrales Organ. Andererseits ist es auch unser Zentrum der seelisch-geistigen Kräfte. Es ist der Ort unserer Persönlichkeit, unseres Seins. Es ist durch das Herz, durch das Gott mit uns Menschen spricht. Es ist das Sehorgan, welches uns die Erfahrung von Gottesschau ermöglicht. Die spirituelle Praxis besteht darin, das Herz von allen Überlagerungen und Verunreinigungen, von Egoismen und negativen Tendenzen zu befreien. So wird schon in der Bergpredigt von Jesus beschrieben: «Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.»


Geschenke der Heiligen Drei Könige

Die drei Könige, Vertreter von verschiedenen Weisheitstraditionen, erkannten die Geburt eines neuen Herrschers anhand einer aussergewöhnlichen Sternenkonstellation. Diese führte sie nach Judäa. Um dem neuen König zu huldigen, brachten sie kostbare Geschenke mit: Weihrauch, Myrrhe und Gold. Gemäss Berichten sollen auch die Hirten, welche auf dem Feld von den Engelschören die Geburt eines besonderen Kindes vernahmen, Gaben mitgebrachte haben: ein junges Schaf, Milch, ein warmes Schaffell. In dieser symbolischen, bildhaften Schilderung des Geschehens um die Geburt von Jesus kommt ein Grundzug des Schenkens zum Ausdruck. Aus Dankbarkeit und in Anerkennung der Besonderheit von Jesus, der als Geschenk des Himmels empfunden wird, haben diese Menschen das Bedürfnis, auch zu schenken. Sie drücken damit ihre Freude und Zuneigung aus.

Die Spuren der Weihnachtsbescherung heute können zurückverfolgt werden bis ins 13. Jahrhundert. Ihr Vorläufer war die Gabenverteilung am 6. Dezember, dem Nikolaustag, aufgrund einer Legende des Heiligen Nikolaus, in der von seiner Grosszügigkeit berichtet wird. Nach der Reformation wurde in den evangelischen Gebieten das Gabenverteilen auf den Heiligabend verlegt, da die reformierte Kirche keine Heiligenverehrung kennt. Früher geschah die Zeremonie der Bescherung um Mitternacht vom 24. auf den 25. Dezember. Nach der Christmette lagen die Geschenke für die Kinder unter dem Weihnachtsbaum. Der Brauch wurde dann in den frühen Abend verschoben, da die Kinder nicht so spät aufblieben.


Herzliche Weihnachten?

Gemäss diesen Ausführungen zeigt sich, dass Weihnachten an und für sich schon mit dem Herzen zu tun hat. Wenn die Geburt von Jesus nicht nur als historisches Ereignis vor langer Zeit betrachtet wird, sondern als lebendiges Ereignis immer und ewig, dann ist das Herz der Ort, wo das stattfindet. Der Mystiker Angelus Silesius drückt es so aus: «Wird Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir …», so bleibt das ohne Wirkung für dich. Weihnachtslieder erinnern daran, dass unser Herz die Krippe für das Jesuskindlein werden soll. «Gott aus Gott und Licht aus Licht, Feuer, das aus Feuer bricht, Ewigkeit noch nie erkannt, Himmel der zur Erde fand», wie es ein zeitgenössisches Lied ausdrückt, will in jedem von uns erkannt werden als das Ewige, das Gott in alle Menschen hineingelegt hat. Darum erschien Gott in Jesus in Menschengestalt, damit wurde Gott vermenschlicht und der Mensch vergöttlicht.

Weihe-Nacht ohne Herz im obengenannten Sinn ist bestenfalls das Leben von kulturellen Bräuchen, welche wohl nährend und hilfreich sein können in der dunklen und kalten Jahreszeit, aber der Grund für diese Festzeit wird fallengelassen. Auch Familienfeste und das Austauschen von Geschenken aus Tradition können uns erfreuen. Von der Fülle des Lichtes und der Freude, vom tiefen Frieden und der Liebe, welche das göttliche Geheimnis uns schenken möchte, sind sie hingegen nur ein Abglanz.

« Es ist durch das Herz, durch das Gott mit
uns
Menschen spricht. »

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