Brennnessel gegen Gicht

Kategorie: Sabine Hurni


Ich möchte an dieser Stelle mal wieder der Brennnessel ein Kränzchen binden.



Im Moment wächst sie so kräftig in ihren sattgrünen Farben am Wegrand, dass man am liebsten reingreifen und ein paar Zweige pflücken würde. Das wäre jedoch eine schmerzhafte Angelegenheit. Wobei man nicht vergessen darf, dass gerade Leute, die an Gicht oder Arthrose in den Händen leiden, von dieser «Mutprobe» durchaus profitieren könnten. Wieso? Weil die durch die Brennhaare der Brennnessel erzeugte Mehrdurchblutung die Entgiftung in den Gelenken anregt. Und tatsächlich hat man sich früher mit Brennnesselbüscheln die Gicht aus den Gelenken geklopft. Heute greifen Betroffene lieber zu Brennnesseltee, -tinktur oder dem Frischpflanzensaft. Ich kann es verstehen.


Ein bis zwei Prozent der Bevölkerung leiden hierzulande an Gicht. Weit mehr haben eine Hyperurikämie, eine Überproduktion an Harnsäure. Die verläuft meist lange beschwerdefrei. Grund für die Hyperurikämie ist eine Stoffwechselstörung beim Abbau von Purin. Diese Eiweisse kommen im Zellkern jeder menschlichen Zelle vor; sie sind ein natürlicher Bestandteil unseres Erbmaterials und werden vom Körper eigens für diesen Zweck gebildet. Da die Zellen einem ständigen Auf- und Abbau unterworfen sind, werden dauernd kleine Mengen von Purinen zu Harnsäure abgebaut. Damit kommt der Körper in der Regel gut zurecht: Ein Teil der Purine scheidet er über die Nieren und den Darm aus, den Rest benötigt er für den Aufbau neuer Zellen.


Was Schwierigkeiten macht, sind die Purine aus der Ernährung. Ebenso wie die menschlichen Zellen enthalten auch die tierischen Zellen Erbinformationen. Kommen sie bei einem Menschen mit Veranlagung zu Gicht allzu häufig auf den Teller, kann dies des Guten schnell zu viel werden: Die überschüssige Harnsäure kristallisiert aus und lagert sich in den Gelenken, in Knorpelsubstanzen und im Gewebe ab. Diese Hyperurikämie verläuft oft über Jahre hinweg absolut symptomfrei, bis dann plötzlich ein heftiger Schmerz in eines der betroffenen, stark entzündeten Gelenke schiesst.


Die Schmerzen treten häufig dann auf, wenn die Betroffenen am Abend zu viel Alkohol getrunken und dazu ein üppiges Abendessen genossen haben. Das muss gar nicht im herkömmlichen Sinn ungesund sein. Eine Wurst vom Grill, eine frische Forelle, die zarte Spargel, der Thunfischsalat oder das saftige Rindsfilet haben eines gemein: Sie enthalten Purine, die den Harnsäuregehalt im Blut markant ansteigen lassen. Trinkt man zu diesem Essen Alkohol, schwächt dies den Harnsäureabbau in den Nieren, was den Purinwert erst recht in die Höhe schnellen lässt. Die Folge davon kann ein schmerzhafter und äusserst unangenehmer Gichtanfall sein, der die Betroffenen teilweise vollkommen unvorbereitet im Schlaf überrascht.

«Man kann auch mit Gicht herzhaft schlemmen.»

Gut zu wissen: Man kann auch mit Gicht herzhaft schlemmen. Doch ganz im Sinne von: «Das Eine tun und das Andere nicht lassen» ist es ratsam, rund um das Festmahl herum einige Vorkehrungen zu treffen. Das heisst, man isst am Tag vor und nach der Feier komplett Purin frei, und zwar viel Obst und Gemüse, viel Wasser und Tee, Käse und Kartoffeln. Menschen mit erhöhten Harnsäurewerten leiden übrigens nicht zwangsläufig unter Gicht. Sie können durchaus auf Medikamente verzichten und stattdessen die Krankheit mit einer Purin armen Kost und der Durchspülung der Harnwege in Schach halten.


Ein Klassiker unter den harntreibenden Heilpflanzen ist die Brennnessel. Die hierzulande weit verbreitete Grosse Brennnessel (Urtica dioica) enthält eine derart breite Fülle an Wirkstoffen, unter anderem Kieselsäure, Kalium und Eisen, dass sie für viele verschiedene Beschwerdebilder verwendet werden kann. Die Brennnessel wirkt blutbildend, hilft gegen Haarausfall, bei Hautunreinheiten, trägem Darm und Menstruationsbeschwerden; besonders wirksam ist sie in Bezug auf die Harnwege. Die Heilpflanze regt die Nieren- und Blasentätigkeit an und hilft auf diese Weise, die Harnwege durchzuspülen. So lösen sich grosse Mengen an Harnstoff und Harnsäure, die später über die Niere ausgeschwemmt werden – sehr zum Vorteil von Menschen mit einer Veranlagung zu Gicht. Denn was ausgeschieden wurde, kann sich nicht mehr in den Gelenken einlagern.

Harntreibend | Gesunde Menschen scheiden 70 bis 80 Prozent der Harnsäure über die Nieren aus, den Rest über den Darm. Gichtpatienten hingegen können die Harnsäure ungenügend über die Nieren ausscheiden. Die Brennnessel kann sie dabei unterstützen, indem sie die Nieren- und Blasentätigkeit anregt. So lösen sich grosse Mengen an Harnstoff und Harnsäure, die später über die Niere ausgeschwemmt werden. Das lindert das Leiden.

Wer also morgens mit steifen Gelenken aufwacht oder gar starke Schmerzen in den Gelenken verspürt, sollte ein paar Dinge in Sachen Ernährung beachten. Grosse Fleischportionen führen dem Körper Unmengen von Purinen zu, die den Harnsäurespiegel in die Höhe treiben. Senken Sie deshalb den Konsum von Muskelfleisch, Wurstwaren, Fleischbouillon, Sulze sowie von Fisch und Meeresfrüchten. Auch Fruchtzucker erhöht den Harnsäurespiegel. Gichtbetroffene sollten deshalb Softdrinks und Limonaden, die mit Fructose oder Saccharose gesüsst sind, vermeiden, ebenso Süssmost, Orangensaft, Smoothies und Multivitaminsäfte. Frische Früchte enthalten zwar ebenfalls Fruchtzucker, aber gleichzeitig wertvolle Pflanzennährstoffe. Täglich zwei Portionen Obst (ca. 300 g) liegen durchaus drin; vor allem Beeren dürfen genascht werden. Meiden Sie hingegen Dörrobst wie Rosinen und Feigen. Ein weiteres Problem ist der Alkohol: Übermässiger Konsum erhöht die Produktion von Harnsäure und hemmt deren Ausscheidung. Am schlimmsten ist das Bier, da in der für den Gärprozess benötigten Hefe Purin enthalten ist. Bereits zwei Gläser Bier erhöhen das Risiko für einen Gichtanfall erheblich. Männer dürfen sich täglich maximal zwei bis drei Deziliter und Frauen maximal ein bis zwei Deziliter Wein gönnen. Diese Menge erhöht das Gichtrisiko in der Regel nicht merklich.


Was immer erlaubt ist, sind Milchprodukte wie Joghurt, Hüttenkäse, Butter und Quark. Auch Gemüse, Salate und generell pflanzliche Nahrung sind sehr gut verträglich für Gichtpatienten. Jüngste Studien zeigen sogar, dass auch bei den Hülsenfrüchten, von denen einst abgeraten wurde bei Harnsäureproblemen, die Vorzüge überwiegen. Sie können also gut und gerne in die gesunde Ernährung eingebaut werden.


Machen Sie hingegen keine Extremdiäten und Hungerkuren. Regen Sie dafür täglich die Aktivität der Nieren und der Blase mit genügend Trinken von Kräutertee und Wasser an. Zwei bis drei Liter sind für die meisten Menschen ideal, bei ersten Anzeichen eines Gichtanfalls darf es sogar mehr sein.


 









* Sabine Hurni ist dipl. Drogistin HF und Naturheilpraktikerin, betreibt eine eigene Gesundheitspraxis, schreibt als freie Autorin für «natürlich», gibt Lu-Jong-Kurse und setzt sich kritisch mit Alltagsthemen, Schulmedizin, Pharmaindustrie und Functional Food auseinander.

Fotos: unsplash.com/matthew-feeney | sebastiano bucca

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