Wenn es knackt – zu Besuch bei der Chiropraktorin

«Knack!» Dieses ominöse Geräusch ist der Grund, warum einige Hemmungen haben, eine*n Chiropraktor*in aufzusuchen. Doch so bedrohlich es klingen mag, gefährlich ist das Knacken überhaupt nicht. Was die Chiropraktik alles kann.

Blanca Bürgisser

© Elke Hegemann


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ie meisten Leute denken bei Chiropraktik sofort an den Rücken. Dr. Martina Uffer, Doctor of Chiropractic (USA), mit eigener Praxis in Gossau, bestätigt das: «Ein Grossteil meiner Patient*innen sucht mich wegen Rücken- oder Nackenschmerzen auf.» Doch Chiropraktik kann viel mehr. «Die Gelenksfunktion wiederherzustellen ist das oberste Ziel. Dazu zählen die Gelenke der Wirbel, aber auch jene in den anderen Teilen des Körpers», erklärt Dr. Uffer. Chiropraktik eignet sich somit zur Behandlung von Beschwerden des gesamten Bewegungsapparats. Dazu zählen unter anderem Bandscheibenvorfälle, Kopfschmerzen oder Ausstrahlungsschmerzen in Arme und Beine.


Abgrenzung zu anderen Behandlungen

Die Chiropraktik wird oft mit der Physiotherapie verglichen. Dabei sind die beiden keineswegs austauschbar, ergänzen sich jedoch sehr gut. Die Chiropraktik zielt – wie die Physiotherapie – darauf ab, Schmerzen zu lindern und die Mobilität zu verbessern, wobei sie unterschiedliche Ansätze verwenden. Bei der chiropraktischen Behandlung werden blockierte Gelenke mit gezielten schnellen Impulsen gelöst um die Beweglichkeit wiederherzustellen. Chiropraktor*innen sind zudem befähigt, Diagnosen zu stellen und z. B. Physiotherapie zu verordnen. Während die Chiropraktik ihren Schwerpunkt in der passiven Therapie hat, liegt der Fokus der Physiotherapie in der Rehabilitation, also der aktiven Therapie. Darum ergänzen sich die zwei Behandlungsformen auch sehr gut.


Behandlung ohne Altersgrenze

Die Erstbehandlung beginnt Dr. Uffer mit einem ausführlichen Gespräch gefolgt von Untersuchungen, zu denen die Bewegungsprüfung sowie weitere Abklärungen zählen. Bei Bedarf werden auch Röntgen- oder MRI-Bilder angefertigt. Danach wird der Ablauf der Sitzung(en) festgelegt und mit der Therapie begonnen. Für die Behandlung sind die Hände das wichtigste Werkzeug der Chiropraktor*innen. Sie arbeiten meist mit schnell und gezielt ausgeführten Impulsen. Daneben gibt es verschiedene Mobilisationstechniken ohne Impuls, die sich insbesondere für Patienten eignen, die Angst vor dem Knackgeräusch haben. Des Weiteren werden die muskulären Verspannungen auf diverse Arten behandelt, teils von Hand, teils mit Hilfsmitteln – mit dem Ziel, durch die Entspannung der Muskulatur die Behandlung der Gelenksdysfunktion zu unterstützen.

Zusätzlich werden teils spezielle Hilfsmittel verwendet. Ein Beispiel dafür ist die Spezialliege, die bei der Flexions-Distraktionstherapie eingesetzt wird. Durch sanfte, passive Dehnbewegungen werden die Wirbelsäule mobilisiert und die Bandscheiben entlastet.

Der Chiropraktik sind übrigens keine Altersgrenzen gesetzt. «Mit sanften chiropraktorischen Ansätzen können bereits Babys behandelt werden», erklärt Dr. Uffer. Besonders hilfreich sei die Behandlung bei Beschwerden wie Schiefhals, Koliken oder Stillproblemen.


Was steckt hinter dem Knacken?

Bei chiropraktorischen Impulsen ist meist das von einigen gefürchtete Knacken zu hören. Dieses ist jedoch vollkommen ungefährlich. Die Fachchiropraktorin Dr. Uffer erklärt den physikalischen Vorgang dahinter wie folgt: «Wenn die Gelenkskapsel beim Impuls etwas gedehnt wird, entsteht ein Unterdruck im Gelenk. Dabei verändern die gelösten Gase in der Gelenkflüssigkeit ihren Aggregatszustand und werden wieder gasförmig. Das Knacken lässt sich also mit dem Geräusch beim Öffnen eines kohlesäurehaltigen Getränks vergleichen.» Ist das Knacken notwendig für eine erfolgreiche Behandlung? «Keineswegs, auch wenn dieses nach einem Impuls oft zu hören ist, ist es kein Indikator für den Erfolg. Gelenke können auch geräuschlos behandelt werden», versichert Dr. Uffer. 


Die Chiropraktik in der Schweiz

Der US-Amerikaner Daniel David Palmer (1845–1913) gilt als Begründer der modernen Chiropraktik. In den 1890er-Jahren gründete er die Palmer School of Chiropractic in Iowa. Schon bald reisten die ersten Schweizer in die USA, um dort zu studieren. In den 1920er-Jahren kehrten die Ersten zurück und eröffneten ihre Praxen. Damals war die Chiropraktik in der Schweiz noch nicht gesetzlich verankert und deshalb illegal. Einige Chiropraktoren mussten gar für die Ausübung ihres Berufes ins Gefängnis. Aufgrund der Behandlungserfolge setzten sich immer mehr ehemalige Patient*innen für die Chiropraktik ein und kämpften für ihre Anerkennung. Als erster Kanton erkannte Luzern 1937 die Chiropraktik an. Es folgten weitere Kantone und schliesslich 1964 die schweizweite Anerkennung des chiropraktorischen Berufes und die Eingliederung in die Pflichtleistungen der Kranken- und Unfallversicherungen. Lange Zeit konnte man Chiropraktik nur in den USA und in Kanada studieren. Erst seit 2008 wird dieser Studiengang auch in der Schweiz angeboten. An der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich wurde ein Lehrstuhl für Chiropraktik gegründet. Das Studium der «Chiropraktorischen Medizin» dauert sechs Jahre und ist eng mit der Humanmedizin verknüpft. Mehr Infos zum Studiengang finden Sie unter: study-chiropractic.ch.

Heute zählt die Chiropraktik zu den fünf universitär anerkannten Medizinalberufen der Schweiz. Neben der Diagnose und Behandlung von Beschwerden des Bewegungsapparates können Chiropraktor*innen auch Medikamente verschreiben, Therapien wie Physiotherapie verordnen, bildgebende Verfahren wie Röntgen und MRI anordnen und selbst durchführen sowie an Fachspezialist*innen überweisen.

ChiroSuisse, die Schweizerische Gesellschaft für Chiropraktik, ist der Berufsverband der Schweizer Chiropraktorinnen und Chiropraktoren. Der Verband zählt über 500 Mitglieder, die meist selbstständig in eigenen Praxen oder in Spitälern tätig sind oder sich noch im Studium befinden.

www.chirosuisse.ch

 

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