Wenn sich Apfel und Quitten zum Tanz treffen
Die Abreise in die Ferien steht bevor, der Küchenschrank quillt aber beinahe über mit Gemüse und Früchten. Was tun? Ganz einfach: Die Lebensmittel konservieren, einlegen, fermentieren, dörren, gefrieren – kurz: haltbar machen.
Rebekka Affolter

Eine alte Kunst – früher konservierten die Leute Früchte und Gemüse, um im kargen Winter über die Runden zu kommen. Heute kein Problem, alles kann – heisst nicht soll – von überall her importiert werden, verdorbene Lebensmittel landen im Mülleimer, ohne ihnen gross nachzutrauern. Je einfacher man zu jederzeit zu allen möglichen Lebensmitteln kommt, desto mehr verschwindet das breite Wissen um die Konservierungsmethoden. Eine, die ihr Leben dem Haltbarmachen widmet, ist Ruth Gerber.
«Konservieren können alle», ist die 73-Jährige überzeugt. Nicht zuletzt, da die Zahl der Möglichkeiten zunimmt. «Bereits Früchte und Gemüse in den Tiefkühler stellen ist eine Methode des Konservierens.» Eine neumodische Art – bei der es trotzdem einiges zu beachten gibt. «Man muss wissen, welche Früchte man unbearbeitet einfrieren kann und bei welchen es nicht so gut funktioniert.» Kirschen bleiben nach dem Tiefkühler in der Form und können ganz weiterverarbeitet werden, während Erdbeeren ihre Form verlieren und beispielsweise püriert werden müssen.

Auf die Details kommt’s an
Grundsätzlich ist Ruth der Meinung: «Wer konserviert, muss sich zuerst Grundwissen aneignen.» Ob online, in einem Buch oder – bestenfalls – indem man jemandem über die Schultern schaut – Konservieren ist nicht Ohne. «Man muss wissen, was wie lange haltbar ist, welche Methoden funktionieren.» Ein Beispiel: «Je mehr Zucker in einer Konfitüre ist, desto länger haltbar ist sie. Wer weniger süss essen will, muss sich dessen bewusst sein.»
Auch muss man erkennen, wann sich welche Früchte zum Konservieren eignen. Hier gilt: Probieren geht über Studieren. «Ich habe mir über Jahrzehnte hinweg mein Wissen angeeignet – und finde heute noch neue Sachen heraus.» Ein kleiner Tipp von Ruth: «Bei der Quittenkonfitüre mische ich neben den reifen, leckeren Früchten auch ein, zwei unreife mit rein. Sie haben mehr Pektin und führen dazu, dass die Konfitüre besser geliert.»
In der Praxis lernt’s sich am besten
Angefangen hat Ruth mit Kochbüchern. Seit der 9. Klasse ist sie stetig dabei ihr Wissen zu erweitern, ihre Rezepte für den Laden auszubauen. Besonders empfiehlt sie aber das Lernen beim «über die Schulter schauen». Sollte sich niemand in der Bekanntschaft finden, der das nötige Wissen hat, ist ein Kurs die Alternative. «Man lernt nie so schnell, wie wenn man jemanden zuschauen und selbst ausprobieren kann.»
Zudem kann man das Beurteilen der Haltbarkeit nicht in einem Buch lernen. Wer selbst konserviert, hat kein Datum, das angibt, wenn die Lebensmittel nicht mehr essbar sind. Wobei Ruth diese Angaben heutzutage sowieso ignoriert. «Ich beurteile mit meinen fünf Sinnen, ob ich etwas essen darf oder nicht.» Wie sieht es aus, wie riecht es, macht es komische Geräusche beim Öffnen und – mit Vorsicht! – wie schmeckt es? «Wenn ich mir nicht sicher bin, probiere ich einfach ein wenig und warte einen Tag ab, um zu schauen, ob ich das Ganze essen kann oder nicht.» Damit die Lebensmittel möglichst lange haltbar bleiben, ist eines ganz wichtig: Sauberkeit. Gefässe, Gläser, Behälter müssen immer sterilisiert werden. Eine Methode des Konservierens ist das Heisseinfüllen. Die Früchte werden eingekocht und heiss in das Glas gefüllt. Deckel drauf, so entsteht ein Vakuum. Aber Achtung: «Hier gibt es immer die Gefahr verbrannter Finger», warnt Ruth. Ein Risiko, das sich lohnt: «Konfitüre beispielsweise kommt am besten mit dem Heisseinfüllen.»
Mut zu neuen Kreationen
Schritt Eins und Zwei – Grundwissen und Sauberkeit – sind erledigt, jetzt geht es ans frisch-fröhliche Drauflosprobieren. «Beim Konservieren sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt», sagt Ruth. Nur der Mut und der eigene Gaumen schränken ein. Und: «Für mich geht es nicht darum, Neues zu erfinden – alles Gute gibt es schon. Aber man kann bestehende Produkte mit seiner eigenen Handschrift versehen.»
Wie immer beim Essen selbst herstellen ist ein grosser Vorteil: Man weiss, was in den Produkten enthalten ist und kann sie auf den eigenen Geschmack abstimmen. Etwas weniger süss, etwas mehr Salz, Gewürze in der Konfitüre – alles geht, nichts muss. Wie bereits gesagt: Immer mit dem Hintergedanken, was das für die Haltbarkeit bedeutet.

Natur und Konservieren
Für Ruth Gerber spielt zudem die Natur eine grosse Rolle. Am besten sei es, die hiesigen Früchte und Gemüse einzulegen. «Immerhin sind die einheimischen Lebensmittel auf unsere Bedürfnisse abgestimmt.» Und man kann im Winter Früchte essen, die es nur im Sommer gibt, ohne sie von irgendwoher einfliegen zu lassen. indem man auch grosse Mengen an Früchten und Gemüse verwertet, beugt man zudem Food Waste vor.
Vor allem aber macht Konservieren Spass. «Beim Ausprobieren und Experimentieren fühle ich mich wie in einer Hexenküche.» Also, einfach anfangen. Vielleicht nicht erst kurz vor der Fahrt in die Ferien, sondern ein bisschen vorher. Sich die Grundfähigkeiten aneignen braucht Zeit. Wie immer, wenn es ums Kochen geht, steht am Anfang ein Rezept. Von da wird ausprobiert, verändert, gescheitert, angepasst und weiter ausprobiert.
Alternativen
Kochbücher sind für sie so spannend wie Romane, die Natur nimmt in ihrem Leben einen grossen Platz ein. Aufgewachsen auf einem Bauernhof hat ihre Mutter immer konserviert – aus Pflicht, als Bäuerin. Ruth hingegen macht es stets aus purer Leidenschaft. «Anfangs ging ich am liebsten im Wald Beeren sammeln, damit ich sie einlegen konnte.»
Auch beruflich zog es sie in die Natur: An einer Gartenbauschule lernte sie das Gärtnern. Noch heute braucht sie das Wissen, das sie damals erlangt hat. «Am liebsten lege ich Sachen ein, die ich selbst gepflückt oder sogar selbst angepflanzt habe. Es ist ein tolles Gefühl, Lebensmittel wie Konfitüren von A bis Z selbst herzustellen.»
Inzwischen konserviert Ruth seit über 60 Jahren. Seit 20 Jahren verkauft sie ihre Produkte in ihrem Laden in Allmendingen bei Bern, an Märkten und zahlreichen Wiederverkäufern in der ganzen Deutschschweiz. Ab dem Herbst stellt sie ihre Produkte zudem im Holzsaal oberhalb ihres Ladens aus. Ihr Ziel: «Mit altbewährten Einmachmethoden innovative Delikatessen herstellen.»
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Jetzt bin ich sehr dankbar, dass ich die Natürlichhefte im Mail nicht gelöscht habe; hier zur Reha lese ich mit Vergnügen vom Confi Einkochen und die Beiträge über Atmen 4,6,8 kann ich gut gebrauchen. Helfen einschlafen oder ausruhen! Natürlich sind Sabine Hurnis Fach-Artikel immer interessant. Allein aber oft nicht ausführbar. Herzlich Lotti Heller