Teller der Zukunft

Die Menschheit hat in den kommenden Jahren Grosses zu bewältigen.  Zum Beispiel Umweltthemen, die wachsende Weltbevölkerung oder die steigenden Gesundheitskosten. Bei all diesen Themen spielt die Ernährung eine wichtige Rolle.

Sabine Hurni

«Mein Arzt hat gesagt, ich soll Brokkoli essen!», erzählte Maria Rossi mit Erstaunen. Seit vielen Jahren hat sie Herzprobleme. Der Cholesterinspiegel zu hoch, die Herzklappen zu schwach und das Gewicht zu schwer. «Sonst verschreiben die Ärzte doch immer nur Medikamente. Das ist der erste Arzt, der mir einen Ernährungstipp gegeben hat.» Und sie machts. Was ihre Familie bisher nicht durchsetzen konnte, gelang der weiss gekittelten Autorität mit einem einzigen Satz. Willkommen in der Zukunft? 

Was Maria Rossi nicht weiss, ist, dass Brokkoli ein sehr gut erforschtes Gemüse ist. Das Gemüse gehört zur Familie der Kreuzblütler, welche allesamt einen hohen Anteil an Senfölglykosiden enthalten. Diese wirken im Darm indirekt entzündungshemmend, was wissenschaftlich erwiesen ist. Ebenso das Wissen über den Aufbau des Mikrobioms, der Bakterienvielfalt in Körper und Darm, welches von Pflanzenfasern ernährt wird.

« Der Brokkoli, ein wirksames Mittel gegen stille
Entzündungen
und Zivilisations-krankheiten. »


Die stille Entzündung – der schwelende Brand im Körper

Wenn die Nahrung zu einem Bestandteil der Medizin wird, sind dies gute Nachrichten für die Gesundheit der Bevölkerung. Immerhin hängen viele Zivilisationskrankheiten wie Diabetes Typ 2, Krebs, Parkinson, Alzheimer oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit der Ernährungs- und Lebensweise zusammen. Oft indirekt, denn der Bewegungsmangel, zu wenig Pflanzenfasern, ein Zuviel an Fleisch, Süssigkeiten, Alkohol und Umweltgiften verursachen im Körper eine stille Entzündung, die unbemerkt im Körper schwelt und infolgedessen die Zivilisationskrankheiten fördert. Gemäss einem wissenschaftlichen Bericht, der in der renommierten Fachzeitschrift «Nature Medicine» veröffentlicht wurde, konnten weltweit mehr als 50 Prozent der Todesfälle auf latente, stille Entzündungen zurückgeführt werden.

Würde jeder Mensch für sich analysieren, ob er eine stille Entzündung in seinem Körper hat, wären wir in Sachen Selbstheilungskräfte einen grossen Schritt weiter. Die latente Entzündung hat laut Dr. Paolo Colombani, Autor des Buches «deFlameYou» und Wissenschaftler, einen Einfluss auf zahlreiche körperliche Leiden wie Bluthochdruck, Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen, PCO (Polycyclische Ovarien), MS, Autoimmunerkrankungen, mentaler Stress, Fettleber, Arthrose, Rheumatische Erkrankungen oder Osteoporose. Auch bei Schlafstörungen oder Parkinson ist das Thema von grosser Relevanz. Je früher die Entzündung erkannt wird, desto mehr kann die Prävention greifen – und die Gesundheitskosten sinken.


Die stille Entzündung und das Immunsystem

Brodelt irgendwo im Körper eine Entzündung, arbeitet das Immunsystem auf Hochtouren. Es überwacht zu jeder Zeit jeden Winkel unseres Körpers, damit es sofort reagieren kann, wenn Viren, Bakterien oder Keime aus der Umwelt in den Körper eindringen. In vielen Körperregionen wie zum Beispiel im Darm, im Herz, im Gehirn und im Fettgewebe befinden sich Botenstoffe, welche den Körper ständig überwachen. Bekannt ist, dass es für eine Entzündung immer einen Auslöser geben muss. Bei einer Infektion sind es Viren, Parasiten oder Bakterien, welche die Entzündung auslösen. Weil auch andere Stoffe, wie zum Beispiel Asbest, Zigarettenrauch, Umweltbelastungen, Stresshormone und Lebensmittelunverträglichkeiten eine Entzündung hervorrufen können, ist das Immunsystem oft doppelt bis dreifach gefordert. Es muss auf alles gleichzeitig reagieren.

Eine akute Entzündung ist dann zu Ende, wenn die Keime bekämpft, das Gewebe erneuert und die Wunde verheilt ist. Eine stille Entzündung verhält sich anders. Es ist ein Schwelbrand, der die Entzündungsmarker kaum ansteigen lässt. Zum Vergleich: Bei der akuten Entzündung zeigen diese Marker sehr hohe Werte an, bei der chronischen Entzündung sind sie niedriger und bei der stillen Entzündung steigen die Werte nur geringfügig an. Genau diese, kaum wahrnehmbaren, lange vorhandenen Entzündungswerte richten im Körper Schaden an.

Die gute Nachricht: «Auch wenn die stille Entzündung nicht fühlbar ist, lässt sie sich zum Glück über eine Routineuntersuchung des Bluts ermitteln», schreibt Paolo Colombani in seinem Buch «deFlameYou». Dafür wird der Biomarker CRP, ein C-reatives Protein untersucht. Es braucht dazu allerdings eine hochsensitive hsCRP-Analyse, welche viel genauere Resultate zeigt als die gewöhnliche CRP-Analyse. «Heute gelten hsCRP-Werte von 1 bis 10 mg/L als Indikator für eine stille Entzündung», so Colombani.


Ernährung als Medizin der Zukunft

Auch wenn ein Lebensmittel gemäss Lebensmittelgesetz keine Wirkung haben darf, haben Forschende aus Australien herausgefunden, dass eine ganz bestimmte Ernährungsmethode für die Reduktion der stillen Entzündung eine wesentliche Rolle spielt: Die mediterrane Ernährung. Diese Kost ist in ihrer traditionellen Form, wie sie in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gelebt wurde, reich an pflanzlicher Nahrung wie Brokkoli, bitterem Blattgemüse, vollwertigem Getreide, Nüssen und sehr viel Olivenöl. Es geht somit nicht um einzelne Nahrungsmittel, sondern um ein mediterranes Ernährungsverhalten, zu dem schlussendlich viel Frischkost, Geselligkeit und auch ein bisschen Alkohol gehören.

Eine Nahrung, die reich an Pflanzenfasern ist, stärkt die Bakterienvielfalt im Darm. Das ist wichtig, weil sich ein grosser Teil der Immunzellen im Darm befinden und deshalb ein Ungleichgewicht in der Darmflora einen Einfluss auf die Entzündungssituation im Körper hat. Ballaststoffe sind Futter für die Darmbakterien. Die Empfehlung für einen gesunden Darm und infolgedessen ein intaktes Immunsystem, liegt bei stolzen 35 bis 50 Gramm pro Tag. Da müssen reichlich Gemüse, Nüsse, ganze Getreidekörner, Hülsenfrüchte und Kerne auf den Teller kommen.

 


Eine möglichst grosse Vielfalt an Strukturen und Farben liefern viele sekundäre Planzenstoffe.


Die Mediterrane Diät – ein Gewinn auf vielen Ebenen

Die Mediterrane Diät oder antientzündliche Ernährungsweise ist pflanzlich betont. Fünf Hände voll Gemüse, Salat, Früchte und Beeren sollten täglich pro Person verspeist werden. Dazu Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und reichlich Olivenöl, Oliven, Zwiebeln, Knoblauch frische Kräuter und Nüsse. Tierische Proteinlieferanten kommen in Form von ein bis zwei Fischgerichten pro Woche auf den Teller, ein bis zwei Eier pro Woche und täglich Milchprodukte als Kalziumlieferanten. Jeder zweite Tag sollte ein fleischloser Tag sein.

Dabei ist auf eine Vielzahl an Farben und Struktur zu achten, da man dadurch viele sekundäre Pflanzenstoffe zu sich nimmt. Die Menge an vollwertigen Kohlenhydraten richtet sich individuell nach der körperlichen Aktivität. Wer vorwiegend sitzt, benötigt kaum Kohlenhydrate, täglich trainierende Sportlerinnen und Sportler hingegen schon. Nicht zu vergessen das Olivenöl, das in der mediterranen Lebensweise die bedeutendste Fettquelle ist, insbesondere für die kalte Küche. Süssigkeiten, gezuckerte Getränke und Patisserie soll man für spezielle Situationen aufheben und nicht täglich konsumieren. Sie sind nicht im Speiseplan vorgesehen. Etwas Alkohol ist erlaubt, ebenso Kaffee in moderaten Mengen.

Als Fleischersatz dienen die Hülsenfrüchte. Hier muss die Schweizer Bevölkerung jedoch noch deutlich zulegen. Heute liegt der pro Kopf Konsum bei grade mal 5 Gramm pro Tag. Essen wir weniger Fleisch, müssen wir diese Menge schrittweise auf 75 Gramm pro Tag erhöhen. Womit gleichzeitig die eingenommene Menge an Nahrungsfasern zunimmt.

Der positive Nebeneffekt: Kommt zugunsten der stillen Entzündung sehr wenig Fleisch auf den Tisch, wird der Teller umweltfreundlicher und nachhaltiger. Laut Empfehlungen von «Eat», einem globalen Non-Profit- Unternehmen, das sich mit der Welternährung auseinandersetzt, soll die Hälfte des Tellers aus Gemüse und Obst bestehen. Die andere Hälfte teilen sich alle anderen Lebensmittel wie Vollkorngetreide, pflanzliche Proteinquellen, stärkehaltiges Gemüse, Milchprodukte, Fleisch, Fett und Zucker.

 


Hülsenfrüchte und Nüsse bereichern den Speiseplan.


In Bewegung kommen

In der Entwicklung von stillen Entzündungen spielt das Körperfett eine wichtige Rolle. Es beginnt sich ab dem 30igsten Lebensjahr allmählich an Bauch und Hüfte, wie auch zwischen den Organen anzuhäufen. Das Fett ist aber nur dann ein Problem, wenn es nicht bewegt wird. Das heisst, träges Fett, das sich als Fettpolster bemerkbar macht, schadet dem Stoffwechsel. Fett hingegen, das mal verbrannt und dann wieder eingelagert wird, sich also bewegt, ist für die Gesundheit kein Problem, so die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema stille Entzündung. Oder anders gesagt: Je mehr Muskulatur unter den Fettmassen aktiv bewegt wird, desto besser.

Die WHO empfiehlt einen Aktivitätsumfang von mindestens 150 bis 300 Minuten pro Woche mit moderater Herzleistung, zum Beispiel zügig spazieren, sodass ein Gespräch noch möglich ist. Oder aber mindestens 75 bis 150 Minuten intensive Herzfitness, während der man nur kurze Sätze von sich geben kann, ohne nach Luft zu schnappen. Ein Mix aus beiden Intensitäten ist empfehlenswert.

Mit dem Genuss von Brokkoli ist es somit noch nicht getan. Die Erforschung der Ursache elektromagnetische Störfelder, Zahngesundheit oder Schwermetallbelastungen sind ebenso wichtig wie die Bewegung, die Ballaststoffe und ausreichend Schlaf. Aus Gründen der Selbstliebe und des Mitgefühls für all jene Menschen, die froh sind, wenn überhaupt etwas auf den Teller kommt, lohnt es sich, wenn wir uns diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Herzen zu nehmen und vermehrt nach pflanzlicher Nahrung zu greifen. Alles andere ist Beilage.

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