Superfood mit Heimvorteil

Chia, Goji und Açai zählen zu den Weltstars unter den Superfoods. Während diese Exoten um den halben Erdball jetten, um in hiesigen Müslischalen zu schwimmen, gedeihen immer mehr delikate «Doppelgänger» ganz entspannt auf heimischen Feldern.

Daniela Dambach


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ie sollen unter anderem freie Radikale im Körper bekämpfen, das Immunsystem stärken, den Blutzucker senken und obendrein schön machen: Kein Wunder liegen sogenannte «Superfoods» im Trend. Hinter den positiven Eigenschaften steckt nicht etwa ein Zauber, sondern eine faktische Fülle an Vitaminen, Antioxidantien, gesunden Fetten sowie Mineral- und Ballaststoffen. So schwirren sie durch Ernährungsratgeber, purzeln aus Instagram-Posts und plumpsen in gefühlt jede zweite bunte Bowl.

Mehr Energie, weniger Entzündungen, strahlender Teint, glücklicher Darm – während früher ein Apfel pro Tag den Arzt fernhalten sollte, könnte man meinen, hierfür seien heutzutage mindestens eine Handvoll Chiasamen und ein Suppenlöffel Spirulina vonnöten.

Jackpots ohne Jetlag

Doch so klein die Kraftpakete wie Quinoa-Samen, auch als «Inkaweizen» bekannt, oder die blassroten Gojibeeren auch sein mögen, sie werfen oft lange Schatten: Die weit gereisten «Wunderwaffen» aus fernen Ursprungsländern wie China oder Südamerika haben lange, energiefressende Transportwege hinter sich und stammen oft aus fragwürdigen Anbaumethoden wie etwa Monokulturen, welche die Umwelt belasten und kaum Kontrollen unterliegen.

Wem nun die beinahe schwarze Açaibeere, der Frucht der brasilianischen Kohlpalme, schier im Halse steckenbleibt, kann auf einheimische Power-Pendants umsteigen wie etwa Sanddorn, Brombeeren oder Heidelbeeren. Bemerkenswert, dass es sich bei «Superfoods» wie diesen um Sorten handelt, die bereits im Garten der Grosseltern heranreiften – von wegen «tropisch»; «traditionell» trifft hierbei eher zu.

Oftmals handelt es sich bei den Gewächsen nicht etwa um hippe Neuzugänge, sondern um alte Bekannte, die ihre Auferstehung als Brennnessel-Pesto, Hirse-Risotto oder Wildbeerensmoothie feiern.

Regional ist die neue Exotik

Immer mehr innovative Landwirtinnen und Landwirte setzen auf den Anbau «lokaler Exoten» und beackern damit eine Nische direkt vor der Nase von Nährstoffhungrigen. Die Vorteile davon liegen auf der Hand (welche sogleich sinnlich zum Mund führt …): Einheimische Beeren, Samen, Nüsse, Hülsenfrüchte oder Wildkräuter weisen mindestens denselben wertvollen Nährstoffgehalt auf – oft sogar einen höheren, da sie knackfrisch und unverarbeitet zu geniessen sind. Gerade durch die kurzen, transparenten Wege vom Feld auf den Teller sind sie klimaschonend und deshalb nachhaltiger. Durch die Sortenvielfalt der wilden Kräuter und saftigen Feldfrüchte blüht indes die Biodiversität auf: summend, flatternd und wurzelstark.

Wer also nicht auf den Hype aufspringen mag, sondern lieber klimabewusst isst, muss nicht auf globale Exportgüter zurückgreifen – der Weg zu Superfood führt zunehmend einfach durch den Wald, zum Acker und die Ecke oder zu Grossmutters Gartenbeet. Vielleicht liegt gerade darin die wahre Superkraft: nicht im Spektakel, sondern im Stillen. 


Exotische Experimente

Manche landwirtschaftlichen Betriebe wagen den Anbau von Pflanzen, die ursprünglich aus anderen Klimazonen stammen. So sind beim Zürcher Betrieb «Räss Waldbeeren» neu frische Gojibeeren in Bio-Qualität erhältlich. Pionierarbeit geleistet hat der Aarhof im solothurnischen Bellach, wo die Landwirte verschiedene Quinoa-Sorten anbauen. Auf der Insel Reichenau im Bodensee wachsen unter anderem Ingwerknollen, Süsskartoffeln und Zitronengras. Sanddorn und Aronia reifen indes auf dem Beerenhof in Niederdorf in der Südtiroler Provinz Bozen.


Superfood aus der Nachbarschaft

In hiesigen Gefilden spriessen eine Vielzahl an Alternativen zu importierten Superfoods, die nicht nur in Sachen Gesundheit, sondern auch mit Nachhaltigkeit punkten.

Leinsamen statt Chiasamen
Reich an Omega-3-Fettsäuren, Ballaststoffen und pflanzlichem Eiweiss, sind Leinsamen ein bewährtes Hausmittel für die Verdauung und senken auf natürliche Weise den Cholesterinspiegel.

Hagebutte statt Gojibeere
Die leuchtend roten Früchte der Wildrose enthalten mehr Vitamin C als Zitrusfrüchte – ideal für ein starkes Immunsystem und strahlende Haut.

Brennnessel statt Moringa
Als Tee, in Suppen oder Smoothies liefert die Brennnessel Eisen, Kalzium, Vitamin C und sekundäre Pflanzenstoffe, was besonders wertvoll ist für Blutbildung und Entgiftung.

Grünkohl statt Spirulina
Der robuste Winterkohl ist ein echter Nährstoffgigant: Dieser enthält viel Vitamin K, C und A sowie Antioxidantien – ein ideales Gemüse zur Stärkung des Immunsystems.

Walnüsse statt Avocados
Auch Walnüsse sind reich an ungesättigten Fettsäuren, Eiweiss und Antioxidantien – und dabei deutlich klimafreundlicher als die wasserintensive Avocado aus dem Ausland.

Sanddorn statt Baobab
Die heimische Alternative zum afrikanischen Affenbrotbaum stärkt mit hohem Vitamin-C-Gehalt das Immunsystem und fördert dank Omega-7-Fettsäuren die Hautgesundheit.

Dinkel statt Amaranth
Die alte Getreidesorte aus der Region ist nahrhaft, bietet reichlich Eiweiss, Mineralstoffe und Ballaststoffe, beispielsweise als Brot oder Porridge.

 

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