Klimafreundliche Vitaminbombe

Kohlgemüse wird wieder entdeckt. Zurecht, bietet doch diese grosse Gemüsefamilie eine reiche Palette an hochwertigen Nährstoffen und unzähligen Zubereitungsarten. Und dies gerade auch im Winter.

Monika Neidhart

Was Wörter bewirken können. «So än Chabis » oder «Du Kohlkopf» sind umgangssprachlich wenig schmeichelhafte Ausdrücke. Kale, Coleslaw und fermentiertes Gemüse hingegen werden von Influencer*innen als Superfood angepriesen. Wo ist der Unterschied? Abgesehen von der Verwendung der englischen Sprache gibt es wohl keinen. Hinter «Kale» steht der krause, grüne Blattkohl oder Federkohl, der schon im Römischen Reich bekannt war. «Coleslaw» ist schlicht ein Weisskabis-Rüebli-Salat, der in Nordamerika mit einer Mayonnaise-Joghurt-Sauce serviert wird. Sauerkraut ist dank der Milchsäuregärung (Fermentation) haltbar gemachter Weisskabis oder Spitzkohl.

Warum Kohl in unserer Muttersprache Deutsch oft in abwertendem Sinn verwendet wird, ist nebensächlich. Wichtiger ist, dass er, auch dank den Beiträgen auf Social Media und innovativen Köch*innen, neu entdeckt wird. Er hat es verdient.

Federkohl enthält doppelt so viel Vitamin C wie Orangen

Auftrumpfen können Kohlgemüse mit ihren Inhaltsstoffen. Es ist das Gemüse mit den meisten Vitaminen. Federkohl, auch Grün-, Kraus-, Braun- oder Winterkohl genannt, ist in mehreren Belangen Spitzenreiter. Er enthält doppelt so viel Vitamin C wie Orangen. Er ist zudem reich an den Vitaminen A, E, Niacin und der BGruppe. Dazu kommt der Mineralstoffgehalt von Kalium, Kalzium, Magnesium, Eisen und Fluor wie auch der Eiweissgehalt. Ähnlich hohe Gehalte haben Rosenkohl und Brokkoli. 150 Gramm gekochter Rosenkohl, eine Kiwi und ein Apfel decken bereits den Tagesbedarf an Vitamin C einer erwachsenen Person. Des Guten mehr: Kohlgemüse weist ein breites Spektrum an sekundären Pflanzenstoffen auf, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken, z. B. bei der Krebsprävention.

Kohl gehört zu den nahrungsfaserreichsten Gemüsearten. Dadurch sättigen sie langanhaltend. Für empfindlichere Verdauungssysteme können diese Stoffe, die auch unter dem Namen Ballaststoffe bekannt sind, jedoch auch Blähungen verursachen. In diesem Falle Kümmel, Anis, Fenchel oder Zimt dem Gericht beigeben oder als Tee zum Essen trinken. Beim Sauerkraut wird in der Regel bereits vor der Fermentierung Kümmel beigegeben.

Heimspiel mit kleiner CO₂-Bilanz

Langeweile kommt bei diesem Gemüse nicht auf. Über 130 Sorten sind bekannt. Welcher Pflanzenteil gegessen wird, ist sehr unterschiedlich. Beim Weiss- und Rotkohl, Wirsing, Federkohl oder Chinakohl sind es die Blätter, beim Rosenkohl und Brokkoli die Blütenstände. Beim Kohlrabi ist es wiederum die dicke Sprossachse, die essbar ist. Blumenkohl, Brokkoli, Kohlrabi und Pak Choi sind von Juni bis Oktober aus dem schweizerischen Freilandanbau erhältlich.

Von den meisten anderen Kohlarten gibt es winterharte Sorten. Grünkohl und Rosenkohl entfalten gar ihr charakteristisches Aroma erst, nachdem die Pflanze kühleren Temperaturen ausgesetzt war. Federkohl schmeckt nach den ersten Frostnächten am besten. Die Saison beginnt daher erst im Oktober und reicht bis in den März. Die beliebtesten Sorten, also Weisskohl, Rotkohl und Wirz, sind das ganze Jahr über aus heimischem Anbau erhältlich. Dank ihrer guten Lagerfähigkeit und winterharten Sorten haben sie ein Heimspiel mit entsprechend kleiner CO₂-Bilanz.

Bringen Farbe auf den Tisch

So vielfältig diese Gruppe Gemüse ist, so viele Möglichkeiten ergeben sich bei der Zubereitung. Sie eignen sich sowohl als Einzelgemüse als auch für einen Gemüseeintopf, für Suppen, Wähen oder Strudel. Grosse Blätter vom Palmkohl, Rotkabis oder Wirz sind ideal zum Einwickeln verschiedener Speisen. Dafür eigenen sich auch Resten von (Pilz-)Risotto, Getreide oder Hackfleisch. Wer das eine Kohlgemüse nicht liebt, probiert ein anderes. Oder kombiniert es mit weiteren Zutaten. So kann Rosenkohl mit Marroni gedämpft werden. Serviert mit Orangenfilets ergibt das eine Farb- und Vitaminpalette vom Feinsten.

Idealerweise wird Kohlgemüse roh gegessen. Dadurch werden insbesondere die hitze- und wasseranfälligen Nährstoffe geschont. Allen voran das Vitamin C. Chinakohl, Weiss- oder Rotkohl werden für einen Salat fein geschnitten oder gehobelt. Danach mit etwas Salz kräftig kneten. Den austretenden Saft weggiessen. Dadurch werden die Zellstrukturen aufgebrochen, die Blätter werden weicher zum Essen und das Gericht wird verdaulicher. Will man den Kohl fermentieren, verwendet man das austretende Wasser weiter. Von dieser Flüssigkeit bedeckt und verschlossen in einem Einmachglas, kann das Gemüse dank der Milchsäuregärung für Wochen oder gar Monate haltbar gemacht werden. Nicht umsonst wurde bei Seefahrten früher Sauerkraut als haltbarer Vitamin-C-Spender mit auf wochenlange Reisen genommen.

Zum Kochen eignet sich das nährstoffschonende Dämpfen. Sie können auch gebacken, rührgebraten oder geschmort werden. Wie auch immer der Kohl zubereitet wird, sein Duft ist markant. Um ihn einzudämmen, empfiehlt es sich, in den ersten Minuten ohne Deckel und mit geöffnetem Fenster kochen. Dadurch verflüchtigt sich der geschmacksbestimmende Schwefel. Oder man gibt etwas Essig ins Kochwasser.

Auch Dominik Hartmann, Aufsteiger Deutschschweiz bei «GaultMillau» 2023 und Küchenchef im vegetarischen Restaurant Magdalena in Rickenbach SZ schätzt die Vielseitigkeit des Gemüses. Seine Lieblings-Kohlgemüse sind Spitzkabis oder Weisskohl. Besonders mit einer schönen Vinaigrette abgeschmeckt brauchen beide Gemüse in roher Form für ihn nicht mehr. Gekocht mag er Spitzkabis kurz heiss angebraten, bevor er ihn bei 100 Grad für eine Stunde zugedeckt im Ofen schmoren lässt. Geschmacklich überzeugen kann ihn auch Federkohl, entweder blanchiert und dann mit Butter angebraten oder Ofenchips. Das zeigt, wie vielseitig die Kohlarten sind: Von der 17-Punkte-Gastronomie bis hin zur regionalen, unkomplizierten und nährstoffreichen Hausmannskost.

 

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