Der Fleischkonsum steht im Mittelpunkt anhaltender Diskussionen, da er nicht nur unsere Ernährung betrifft, sondern auch Auswir-kungen auf Umwelt, Gesundheit und Ethik hat. Auf der einen Seite wird Fleisch als wichtige Proteinquelle und kulinarischer Genuss betrachtet, während auf der anderen Seite Bedenken hinsichtlich Tierwohl, Umweltbelastung und individueller Gesundheit aufkommen.
Pro
«Fleischessen ist kein Auslaufmodell»
Man könnte in der öffentlichen Diskussion manchmal den Eindruck erhalten, an keinem Lebensmittel würden sich so die Geister scheiden, wie an unserem Grillgut. Was eigentlich auch ein gutes Zeichen ist, denn: Fleisch ist ein Lebensmittel, das uns nicht egal ist. Es erhält Wertschätzung und ist auf eine Art Teil unseres Speiseplans, die zeigt, dass es eben mehr ist als nur ein Proteinplätzchen.
Ein Lebensmittel, das von einem Tier stammt, braucht genau das: Wertschätzung. Wenn Ihnen nicht bewusst ist, dass ein Tier für die Fleischproduktion aufgezogen, umsorgt, gewogen, in den Schlachthof gefahren und schliesslich geschlachtet worden ist, dann eine simple Bitte: Essen Sie in Zukunft doch einfach Gemüse. Denn diese Wertschätzung ist es am Schluss, die wichtig ist. Aus meiner Sicht sind sich hier jedoch Herr und Frau Schweizer sehr wohl bewusst, dass Fleisch nicht einfach eine Ware ist. Einerseits verzehren wir im europäischen Vergleich weniger bis deutlich weniger Fleisch als unsere Nachbarn, andererseits ist uns das Fleisch den Preis auch wert, auch wenn wir immer preissensitiver werden.
Sollten wir in Zukunft weniger oder gar kein Fleisch mehr essen? Ich nehme an, mein Mitschreiber wird die Ansicht unterstützen, dass unser Fleischkonsum schädlich für das Klima sei. Wenn man mit den Konsument*innen ehrlich ist: Das Beste für das Klima wäre es, wenn wir alle deutlich weniger von allem essen würden. Völlerei und Foodwaste sind schlecht fürs Klima, aber das klingt halt weniger trendy.
«Klima» ist aber nicht nur eine abstrakte Grösse, wo mit Zahlen zu CO2, Methan und was weiss man noch für Zahlen um sich geworfen wird. Die tierische Produktion in der Schweiz hat eine Besonderheit, die nämlich oftmals gar nicht beachtet wird – vielleicht auch, weil es schlichtweg nicht «hip» genug ist, darüber zu reden. Oder, weil es eben etwas Positives ist. Nämlich, dass sie Kreisläufe schliesst: So ist die Milch- eng mit der Fleischwirtschaft verbunden. Auch Schweine und Geflügel schliessen Kreisläufe: beide sind Allesfresser. Sie fressen Schrot, Molke und andere Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie. Und «last but not least»: Kühe fressen Gras, das für den Menschen definitiv nicht als Nahrungsquelle gilt und machen daraus hochwertige Proteine.
Können wir also die Diskussion der Ernährung einzig und allein daran festmachen, was wir «nicht» essen? Nein. Ernährung ist ein sehr individuelles Thema und in einem freien Land wie der Schweiz soll auch selbst entschieden werden können, was auf den Teller kommt. Es ist aber eine Herausforderung, eine steigende Bevölkerungszahl mit genügend Lebensmitteln zu versorgen, egal ob tierisch oder pflanzlich. Das schaffen wir nicht, indem wir Lebensmittel verteufeln – sondern indem wir Innovation zulassen.
Gioia Porlezza
Gioia Porlezza (31) führt die Öffentlichkeitsarbeit bei Proviande.
Sie arbeitet in Bern und wohnt in Winterthur.
Kontra
«Der heutige Fleischkonsum ist ein Auslaufmodell»
Der heutige Fleischkonsum ist ein Auslaufmodell: Er ist weder gesund noch ökologisch oder wirtschaftlich sinnvoll. Dass die dahinterstehende Fleischindustrie auch für die Tiere nachteilig ist, ist offensichtlich. Das System ist so krank, dass 2022 bei den Schweizer «Nutztieren» 16 221 422 Antibiotikabehandlungen vorgenommen werden mussten.
Selbst der Bund bestätigt, dass heute mehr als das Dreifache der empfohlenen Menge Fleisch konsumiert wird. Durch den hohen Fleischkonsum müssen wir über 1,2 Millionen Tonnen Futtermittel importieren. Und der hohe inländische Landverbrauch für Futtermittel – auf 60 % der Ackerflächen wird Futter angebaut – führt dazu, dass wir rund die Hälfte aller in der Schweiz konsumierten Kalorien importieren müssen. Durch einen vermehrten Konsum pflanzlicher Lebensmittel könnte die Schweiz ihre Auslandsabhängigkeit stark reduzieren.
Auf gesundheitlicher Ebene haben wir eine Epidemie von chronischen Erkrankungen, die durch den hohen Fleischkonsum mitverursacht werden. Für Medikamente zur Behandlung der durch den Fleischkonsum mitverursachten kardiovaskulären Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck oder erhöhte Cholesterinwerte) haben 2022 rund 2,25 Millionen Personen mindestens einmal eine Arztpraxis in der Schweiz aufsuchen müssen.
Obwohl der Fleischkonsum nicht nur ungesund ist, sondern auch wirtschaftlich unrentabel, lebt eine ganze Industrie davon. Der Grund liegt darin, dass kaum eine andere Branche so grosszügig durch Subventionen des Staates am Leben erhalten wird. Jedes Jahr fliessen Milliarden an Steuergeldern in die Fleisch- und Milchwirtschaft, da sie von sich aus nicht überlebensfähig wäre, da es nicht rentabel ist zuerst pflanzliche Nahrungsmittel anzubauen, die man den Tieren verfüttert um den Körper dieser Tiere zu Nahrungsmittel zu verarbeiten. Auf diesem Weg geht ein Grossteil der Kalorien verloren, da die Tiere keine fleischproduzierenden Maschinen sondern lebende Wesen sind.
Glücklicherweise gibt es immer mehr und bessere Alternativen zum heutigen Fleischkonsum. Vom Bioladen bis zum Discounter haben alle ein Angebot an Fleischalternativen. Und je besser diese werden, desto weniger Gründe gibt es Tiere zu töten und zu konsumieren.
Deswegen setzen wir uns bei Swissveg dafür ein, dass unsere Gesellschaft sich zu einer tierfreundlicheren, gesünderen und umweltfreundlicheren pflanzenbasierten Ernährung entwickeln wird. Sei es aus ethischen, ökologischen oder wirtschaftlichen Gründen: Der (heutige) Fleischkonsum hat keine Zukunft.
Renato Pichler
Renato Pichler ist Gründer von Swissveg und des V-Labels. Lebt seit über 30 Jahren vegan und engagiert sich hauptberuflich seit 1993 für die Verbreitung des Wissens über die Vorteile einer pflanzenbasierten Lebensweise.