«Die Komplementärmedizin ist in der Bevölkerung beliebt»

Vor 30 Jahren wurde an der Universität Bern die Kollegiale Instanz für
Komplementärmedizin (Kikom) gegründet. Daraus wurde später das Institut für Komplementäre und Integrative Medizin (IKIM). Dessen Direktorin, Professor Dr. med. Ursula Wolf, schaut zurück und auch vorwärts.

Interview: Samuel Krähenbühl

«natürlich»: Das Institut für Komplementäre und Integrative Medizin (IKIM) an der Universität Bern wurde 1995 und somit genau vor 30 Jahren – damals noch unter dem Namen «Kollegiale Instanz für Komplementärmedizin» gegründet. Am Anfang stand eine Volksinitiative. Wie kam es genau dazu?
Ursula Wolf: Die Bevölkerung des Kantons Bern erachtete es als wichtig, dass Komplementärmedizin auch an der Universität mit Lehre und Forschung vertreten ist. Schon damals war die Komplementärmedizin in der Bevölkerung beliebt, sodass man frühere Anliegen und die Tatkraft der Initianten gut nachvollziehen kann.

Wie hat sich das IKIM in den vergangenen 30 Jahren entwickelt?
Aus der ehemaligen Kollegialen Instanz für Komplementärmedizin hat sich über die Jahre das Institut für Komplementäre Integrative Medizin (IKIM) sehr gut entwickelt. Zum Erfolg hat die Erstbesetzung der Dozierenden mit Drs. Ausfeld-Hafter, Heusser, Beck und Thurneysen sowie zur weiteren Akademisierung des Fachgebietes die wissenschaftlichen Mitarbeitenden beigetragen. Infolge der Habilitation von Prof. Wolf konnte die Umwandlung in ein reguläres universitäres Institut erfolgen.

Vor 30 Jahren war die Gründung des IKIM sicher eine Pioniertat. Die Komplementärmedizin als akademische Disziplin hatte es schwer. Sie sind seit 2018 Direktorin des IKIM. Ist das IKIM heute an der Universität Bern etabliert und akzeptiert?
Das IKIM ist gut etabliert und angesehen. Das liegt einerseits am exzellenten akademischen Leistungsausweises des IKIM sowie an der geschaffenen Vernetzung. So entstanden und entstehen Forschungs- oder klinische Projekte mit anderen Institutionen der Medizinischen Fakultät der Universität Bern.

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) übernimmt die Kosten der ärztlichen Leistungen der Akupunktur, anthroposophischen Medizin, Arzneimitteltherapie der Traditionellen Chinesischen Medizin, klassischen Homöopathie und Phytotherapie. Forschen Sie vor allem im Bereich dieser Methoden oder kommen auch andere Methoden dazu?
Am IKIM sind die Fachrichtungen Phytotherapie, anthroposophische erweiterte Medizin, potenzierte Substanzen/Homöopathie vertreten, wobei meine Forschungsschwerpunkte in den beiden erstgenannten liegen. Ausserdem arbeite ich mit Mitarbeitenden an der Entwickelung einer integrativen Physiologie, welche die menschlichen Bereiche des Physischen, Lebendigen, Seelischen und Geistig-Individuellen miteinbezieht.

2015 wurde das Bundesgesetz über die universitären Medizinalberufe (MedBG) Jahr revidiert. Neu werden von den Studierenden «angemessene Kenntnisse über Methoden und Therapieansätze der Komplementärmedizin» verlangt. Wie erfolgt die Implementierung dieser Kenntnisse im Verlauf des Studienganges?
An der Universität Bern erfolgt die Umsetzung mittels Lehrveranstaltungen in Form von Vorlesungen, Kursen und Praktika sowie Master- und Doktorarbeiten.

Sie bieten Studiengänge für Komplementäre und Integrative Medizin in den Bereichen Humanmedizin, Zahnmedizin und Pharmazeutische Wissenschaften an. Wie gross ist das Interesse, bzw. die Anzahl der Studierenden in den jeweiligen Bereichen?
Das Interesse ist wie bei allen anderen Fächern auch unterschiedlich. Es nimmt jedoch stetig zu, wohl, weil die Studierenden nun geschult werden, die Patientenpräferenz besser zu berücksichtigen oder weil sie oder ihr Umfeld gute Erfahrungen mit KIM gemacht haben.

Wie hat sich die Situation an den anderen Universitäten entwickelt und wie arbeiten Sie mit anderen ähnlichen Instituten für Komplementärmedizin zusammen?
Die Universität Bern hat hier Vorreiterfunktion, indem sie Lehrveranstaltungen nicht nur freiwillig anbietet, sondern im Pflichtcurriculum eingeführt hat. Mit anderen Universitäten sind wir in gutem Austausch.

In welche Richtung entwickelt sich die akademische Forschung und Lehre im Bereich Komplementärmedizin und was sind die Herausforderungen?
Da KIM wichtig ist, schaffen zunehmend Universitäten akademische Positionen in diesem Bereich. Die grösste Herausforderung ist die bisher ungenügende Forschungsförderung.


Prof. Dr. med. Ursula Wolf ist ordentliche Professorin der Medizinischen Fakultät der Universität Bern und leitet das Institut für Komplementäre und Integrative Medizin. Sie ist in der Lehre, Forschung sowie klinisch tätig. Neben ihrer klinischen Ausbildung im In- und Ausland absolvierte sie einen mehrjährigen Forschungsaufenthalt in den USA.

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