Der Liebesapfel entfacht Leidenschaften

Zwischen Juli und Oktober ist Hochsaison für Tomaten in der Schweiz. Doch wirklich aromatische Tomaten zu kaufen ist nicht einfach. Dalilah Schmid pflanzt Andenherz, Merveille des Marchés und weitere Sorten selbst an.

Monika Neidhart

«Paradeiser» werden sie in Österreich genannt, «Pomme d’amour» in Frankreich. Auch in der Schweiz sind Tomaten beliebt. Rund 7 kg isst jede Person pro Jahr. Damit sind sie neben den Rüebli das beliebteste Gemüse. Kein Wunder, denn Tomaten sind eines der vielseitigsten Gemüse in der Küche. Sie können sowohl roh, als Saft oder gedämpft, gebraten, gekocht, gebacken zu unterschiedlichsten Gerichten zubereitet werden.

Obst oder Gemüse?

Viele von uns können Obst von Gemüse einfach unterscheiden, aber wenn es um die zeitlose Frage geht, ob Tomaten zum Obst oder zum Gemüse gehören, sind wir uns nicht sicher, was zu antworten ist! Je nach Sichtweise lässt sich beides begründen. Ein Botaniker verwendet die botanische Klassifikation, die auf den physiologischen Eigenschaften der Pflanze – wie Struktur, Funktion und Aufbau – basiert. Botanisch gesehen wird als «Frucht» der samentragende Teil bezeichnet, der aus dem Fruchtknoten einer blühenden Pflanze wächst oder mit anderen Worten: Eine Frucht stellt die Art und Weise dar, wie Pflanzen ihre Samen ausbreiten. Im botanischen Sinne sollte eine Frucht mindestens einen Samen haben und aus der Blüte der Pflanze wachsen. Nach dieser Definition werden Tomaten dem Obst zugeordnet, weil sie Samen enthalten und aus der Blüte der Tomatenpflanze wachsen.

In der Ernährungswissenschaft oder der Gastronomie wird das kulinarische Klassifizierungssystem verwendet, das Obst und Gemüse etwas unterschiedlich definiert, basierend auf der Art und Weise, wie die Pflanzen verwendet werden und auf ihren Geschmacksprofilen. Kulinarisch gesehen hat Gemüse eine festere Struktur, einen faderen Geschmack und muss oft in Gerichten wie Eintöpfen, Suppen oder Pfannengerichten gekocht werden. Obst hat hingegen eine weichere Textur, schmeckt meistens entweder süss oder herb und wird oft roh oder als Teil von Nachspeisen oder Marmeladen genossen. Tomaten können saftig und süss sein und roh genossen werden. Jedoch bereitet man Tomaten auch in salzigen Gerichten zu, weshalb wir in der Regel Tomaten als Gemüse einstufen.

Anforderungen des Handels bestimmen das Angebot

Über 12 000 Tomatensorten sind weltweit beschrieben, aufgegliedert in vier Gruppen. In unseren Einkaufsgeschäften ist wenig von dieser Fülle zu sehen. Nicht einmal während der Hochsaison der einheimischen Tomaten. Etwa fünf Sorten stehen in einem mittelgrossen Geschäft zur Auswahl; in biologischer oder konventioneller Anbauweise; Gewächshaus oder Hors-sol. Makellos rot. Nur bei den Cherrytomaten variiert die Farbe. Genauso fehlerlos die glatte Haut und die Grösse. Fürs Auge einwandfrei, für den Gaumen ist das Fruchtgemüse jedoch meist eine Enttäuschung. Das Aroma wurde zugunsten der Anforderungen des Handels bei den Züchtungen vernachlässigt. Weil immer grössere Tomaten gefragt sind, bleiben die Varianten, die einen hohen Zuckergehalt liefern, auf der Strecke. Alte Sorten haben oft eine weiche Haut und weicheres Fleisch. Dazu reifen Tomaten nach dem Pflücken nach, was in der Auslage im Geschäft stört.

Warten, bis die Freilandsaison beginnt

Wer den vollen kulinarischen Genuss sucht, ist bei den Tomaten besonders gefordert. Im Handel hat die Tomate ihre Saison verloren. Wer ausgereifte, aromatische Paradeiser will, wartet bis in den Juli, wenn die ersten Freilandtomaten in der Schweiz reif sind. Denn nur wirklich ausgereifte, vollaromatische Zutaten ergeben in der Küche auch einen Gaumenschmaus. Fündig wird man besonders auf Wochenmärkten, in Hofläden und bei Züchterin und Züchter. Wer selbst einen Garten oder einen Balkon hat, kann seine eigenen Tomaten ziehen. Auch aus den Samen der Tomate, die einem besonders schmeckt, wenn es keine Hybridsorte ist. Setzlinge von alten Sorten gibt es unter anderem auf Märkten, wie sie auch Pro Specie Rara organisiert. Dalilah Schmid aus Hägglingen nimmt regelmässig mit ihren Pflanzen daran teil.» Die 21-jährige Masterstudentin der Agrarwissenschaften an der ETH Zürich liebt den «Pomme d’amour»: «Für mich sind sie das beste Gemüse. Der Sortenreichtum, die verschiedenen Farben und Formen faszinieren mich.» Bereits seit sieben Jahren ist sie Sortenbetreuerin bei der Stiftung Pro Specie Rara. Auf einem gepachteten Feld im Nachbardorf baut sie über 25 alte Tomatensorten an.

Unvergleichliches Aroma

Genauso, wie die junge Frau über die Aufzucht und Pflege Auskunft geben kann, so weiss sie auch, was sich wofür in der Küche eignet. «Zum Rohessen nehme ich gerne Aunt Ruby’s German Green, Schlatt, Ananas, Golden Currant oder Annie’s Singapore. Für die warme Küche wähle ich hingegen lieber Merveille des Marchés und Piennolo.» Die Namen sprudeln nur so aus ihr heraus. Und was empfiehlt die junge Frau für Tomatensaucen, eine der wichtigsten Grundsaucen seit dem 19. Jh. in der klassischen Küche? «Da bevorzuge ich Andenherz, Amish Pasta, Piennolo, Howard Deutsche Tomate.»

Dalilah Schmid selbst verkauft keine Tomaten. Sie braucht sie für die Samengewinnung. Wer eine bescheidenere Auswahl für eine Sauce hat, nimmt eine Fleischtomate wie das Ochsenherz (gross, aromatisch und saftarm), oder Berner Rose (fruchtig, süss mit rosafarbener dünner Haut). Auf jeden Fall soll sie aromatisch sein. Sonst lohnt sich der Aufwand nicht, resp. dann empfiehlt sich auf Pelati aus der Dose zurückzugreifen. Das auch ausserhalb der Saison, wo Dosen ökologisch eine gute Alternative zu weit her transportierten Nahrungsmitteln sind. Der Geschmack einer Tomatensauce kann zusätzlich verstärkt werden, wenn man getrocknete, zuvor eingeweichte oder in Öl eingelegte Tomaten mitkocht. Eine Prise Zucker verstärkt das Aroma. Neben Salz, Pfeffer und Knoblauch sind Basilikum, Oregano, Thymian, wie auch Bohnenkraut und Salbei ideale Gewürze. Frische Tomaten unbedingt ausserhalb des Kühlschranks lagern. Nur so bleibt das «paradiesische» Aroma erhalten.

Shakshouka (Dalilah Schmid Tomatenrezept)

Zutaten: 

1 Peperoni

1 Zwiebel

2–3 Knoblauchzehen

80o g Tomaten (Fleischtomaten in Stücken, mit Samen oder ohne)

4 Eier

2 TL Paprika

2 TL Kreuzkümmel

Salz nach Belieben

Zubereitung:

1. Gemüse rüsten und in Stücke schneiden.

2. Zwiebel, in einer Bratpfanne in Olivenöl 2–3 min andünsten, Gewürze, Knoblauch und Peperoni dazugeben. 2–3 min weiterdünsten. Tomaten dazugeben und auf mittlerer Hitze etwas köcheln lassen (etwa 5–10 min). Eier dazugeben und dämpfen bis die Eier gestockt sind.

3. Mit griechischem Joghurt, Fladenbrot oder Sauerteigbrot servieren.

 

Crudaiola (rohe Tomatensauce aus Süditalien)

Zutaten:

4 reife, aromaintensive Tomaten (Bsp.: Ochsenherz)

4 EL hochwertiges Olivenöl

2–3 Knoblauchzehen, gepresst

15–20 Basilikumblätter, gehackt Salz, Pfeffer

Zubereitung:

Tomaten 10 Sekunden in kochendes Wasser geben, herausnehmen, schälen. In kleine Würfel schneiden, evtl. entkernen. Olivenöl, Knoblauchzehen und Basilikumblätter beigeben würzen. Gut mischen, 2 bis 3 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen.

Servieren:

Auf Crostini, mit Teigwaren vermischen oder unter ein fast fertiges Risotto mischen.

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