Sabine über Wut

Kategorie: Sabine Hurni


«Die starke Emotion ist mir ans Herz gewachsen.»



Ich tauche in diesem Text in die Welt der starken Gefühle ein. In die tosenden Sturmwellen der zornigen Emotionen. Das Leben hat mir ein Häppchen Lernstoff vor die Füsse geworfen, das mich zwang, mich einmal mehr in die Wogen der Wut hineinfallen zu lassen. Die Intensität an Unkontrolliertheit, Ohnmacht und Wildheit, die mit der Wut einhergehen, ist nahezu berauschend, wenn man den Mut aufbringen kann, sich voll und ganz diesen Gefühlen hinzugeben. Diesmal ist es mir recht gut gelungen und ich möchte meine Reise mit Ihnen teilen, denn die starke Emotion ist mir schon fast ein wenig ans Herz gewachsen.

Viele erleben Wut als negative Energie, weil sie an Aggression und Gewalt gekoppelt ist. Mich manövriert die Wut eher in neue Richtungen. Sie ist sozusagen ein Katapult, das mich vorwärts schleudert, Energien freisetzt und ungeahnte Kräfte generiert. Dank dieser Wut habe ich in den letzten Wochen mehr über die sozialen Medien gelernt, als je zuvor. Ich habe mich vorbereitet auf das digitale Zeitalter, um das wir nicht herumkommen. Ich weiss nun, wie man sich digital vernetzt, habe einen Blog kreiert, auf dem ich meine Texte und Gedanken mit Ihnen und der Welt teilen kann, habe mich über Kniffs und Tricks von Instagram informiert und weiss nun, wie man diese Medien für sein persönliches Marketing nutzt. Mit der Kraft eines Wildschweins, das sich durch die Erde pflügt, habe ich mich durch den Dschungel der neuen Welt gewühlt – und ich bin sicher: Ohne Wut im Bauch hätte ich das niemals geschafft. Die heile Welt der Harmonie treibt uns nicht vorwärts – erst wenn wir die Komfortzone verlassen (müssen), kommt Dynamik in den oft allzu bequemen Alltag.

Raus damit! | Wut sollte man nicht unterdrücken, denn unterdrückte Wut macht krank. Wenn man sie hingegen kanalisiert, kann Wut ungeahnte Kräfte in einem freisetzen, die man konstruktiv nutzen kann.

Ich möchte Ihnen Mut machen, die Wut zu bündeln, damit Sie diese kraftvolle Energie für Ihre Projekte nutzen können, sich für die Zukunft rüsten, Altes loslassen und vorwärtsgehen. Die Wut ist die wohl unkontrollierbarste, destruktivste und energievollste Stimmung, die ein Mensch in sich selber hervorrufen kann. Ich nehme an, Sie wissen, wovon ich rede. Jeder kennt die Wut. Sie vibriert, bebt, kocht, erhitzt sich, zittert und wogt. Kinder werfen sich tobend auf den Boden. Wir Erwachsenen halten die Emotion oft möglichst unter Kontrolle, machen gute Miene zum bösen Spiel und versuchen «vernünftig» zu bleiben. Vernünftig! Geht das überhaupt im Zusammenhang mit Wut? Stellen Sie sich vor, Sie wären in einer Situation, die Sie zur Weissglut treibt. Kann man bei dieser Welle an Kraft, die durch den Körper donnert, wirklich vernünftig bleiben? Wie wird man die Wut wieder los? Man kann durchatmen, ja, oder das Gefühl benennen, wie es im Buddhismus gelehrt wird. In der Achtsamkeitsmeditation sagt man sich zum Beispiel: «Aha, da ist Wut. Wut, es ist in Ordnung, dass du da bist.» Man geht, und das ist wichtig, nicht zurück zur Situation, die einen rasend gemacht hat. Die gehört der Vergangenheit an und ist nicht mehr beeinflussbar. Man bleibt bei der Emotion und sagt sich, ja, ich fühle Wut. Vielleicht fühlt man verdammt viel Wut und muss sich bewegen, herumtigern, stampfen, tanzen, schreien oder in die Natur gehen. Absolut gut – aber immer im Gefühl der Wut bleiben und nicht an der verursachenden, ungerechten Situation herumgrübeln. Denn wenn Sie an Situationen hängen bleiben, verharren Sie im Kampf und im Gefühl der Ohnmacht – was dazu führt, dass man sich als Opfer sieht und sich im Selbstmitleid suhlt oder aggressiv wird. Nein, diesen Weg sollten Sie nicht einschlagen! Er ist destruktiv und führt nur zu Verletzungen. Vor allem sich selber gegenüber. Die rohe Kraft der Wut kann man nutzen, um sich selbstständig zu machen. Man kann sie nutzen, um Zelte abzubrechen und eine Reise anzutreten. Die Kraft der Wut hilft, Entscheidungen zu treffen, die schon lange angestanden sind, und Wege zu gehen, für die bisher der Mut fehlte. Vielleicht sollten wir uns alle vermehrt vorwärts schleudern lassen, wenn die Wut aufkommt, statt zu bleiben, auszuhalten und sich zu sagen, dass es auch schlimmer sein könnte. Viele Krankheiten entstehen genau aus dieser strengen Lebenshaltung sich selber gegenüber: aus dem Verharren im Alten, dem Über-sich-ergehen-lassen von Ungerechtigkeit, Macht und vielleicht sogar Gewalt. Rheuma zum Beispiel hängt häufig mit angestauter Wut zusammen, die viele Jahre lang nie ausbrechen konnte. Auch Leber- und Gallenerkrankungen, Migräne oder Magengeschwüre haben oft einen Zusammenhang mit der Wut, dem Feuerelement und dessen Auswirkungen auf den Körper. Die Kraft der Vergebung kommt hier ins Spiel. Denn wir können nicht lange im Gefühl der Wut bleiben. Irgendwann erschöpft sich dieses Gefühl. Wenn es aber schon mal da ist, sollte man es nicht sofort unter den Teppich wischen, sondern sich mutig dieser enormen Kraft zuneigen. Es tut dem Herzen und der Seele gut, wenn wir die Tür zur Wut zwischendurch einen Spalt weit öffnen; wenn wir sie zulassen und hinhören, was sie uns zu sagen hat. Nur so können wir erkennen, dass unter dieser rohen Wut etwas Verletzliches, Trauriges und Weiches zum Vorschein kommt: Die tiefe Trauer darüber, dass nichts mehr so ist, wie es war; die Erkenntnis, dass man sich nur auf sich selber verlassen kann; die Ohnmacht der Fremdbestimmung – und irgendwann die Einsicht, dass es trotzdem weitergeht. Ja, der Wut folgt die Trauer. Aber eben nur, wenn wir der Wut begegnen können und gleichzeitig die Situation, die Auslöser für die Emotion war, sofort loslassen, sobald sie aufflackert. Das Leben bietet uns immer wieder Situationen, an denen wir seelisch wachsen können. Mal gehören wir zu den Verlierern, mal zu den Gewinnern. Man kann nicht immer gewinnen, aber das Spiel des Lebens ist und bleibt mein Lieblingsspiel.




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Sabine Hurni ist dipl. Drogistin HF und Naturheilpraktikerin, betreibt eine eigene Gesundheitspraxis, schreibt als freie Autorin für «natürlich», gibt Lu-Jong-Kurse und setzt sich kritisch mit Alltagsthemen, Schulmedizin, Pharmaindustrie und Functional Food auseinander.


Fotos: getty-images.com | sebastiano bucca

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