Sabine Hurni über Schröpfen und Gua Sha
Das Schröpfen ist eine meiner liebsten Anwendungsmethoden. Früher, als ich noch massierte, war es eine wertvolle Unterstützung, um meine Finger zu schonen, wenn jemand stark verspannt war. Heute verwende ich die Gläser nur noch privat.

Das Prinzip des Schröpfens ist einfach: Man stellt Gläser auf eine Körperstelle und stellt mit Hilfe von Hitze oder einem Saugkopf aus Gummi auf der Haut ein Vakuum her. Dieser Unterdruck regt die Durchblutung an, produziert Wärme und löst die Faszien. An manchen Stellen, zum Beispiel dort, wo sich ein Muskel verhärtet hat, wird die Haut sofort rot. An anderen Stellen bleibt die Haut selbst nach 15 Minuten Schröpfzeit unverändert. Das ist ein Zeichen, dass diese Körperregion mit wenig Energie versorgt ist.
Mit dem Schröpfen verschiebt man somit die Energie – wo zu viel ist, holt man sie «raus», wo zu wenig ist, bringt man sie hin. Dieses Heilverfahren gehört zu den wichtigsten Ausleitungsverfahren in der Naturheilkunde und wurde bereits durch griechische, ägyptische wie auch chinesische Ärzte im Altertum betrieben. Dabei gibt es drei Schröpfmethoden: Das nasse Schröpfen, bei dem die Hautstelle vor dem Schröpfen leicht angeritzt wird, das trockene Schröpfen auf der intakten Haut und die Schröpfmassage für grössere Hautareale.
Die gebräuchlichste Behandlungsform in der Naturheilpraxis ist das trockene Schröpfen. Durch den Unterdruck und die verstärkte, punktuelle Durchblutung treten Blutbestandteile und Lymphflüssigkeit in das Gewebe zwischen den Zellen. Dadurch gibt es eine leichte, gewollte Entzündungsreaktion mit Rötung, Schwellung und Wärmeentwicklung. In der Regel bildet sich auf der Schröpfstelle ein leichter Bluterguss (Hämatom). Das gehört wesentlich zum Therapieeffekt dazu und verschwindet nach wenigen Tagen wieder.
Schröpfen als Therapie
Bei der therapeutischen Behandlung durch Schröpfen richtet sich die behandelnde Person nach dem Hautbefund – wo Hautstellen nach einem kurzen Reiz sofort wieder weiss werden, wird die Durchblutung mit Hilfe der Schröpfgläser angeregt. Auf dem Rücken befinden sich bestimmte Schröpfzonen, die den Körper reflektieren. Ob Herz, Lunge oder Leber: Geschröpft wird fast ausschliesslich am Rücken.
Mit der Hilfe von Schröpfgläsern kann man die Durchblutung verbessern, einzelne Organe gezielt anregen und Muskelverhärtungen lösen. Dabei steht das Schröpfglas entweder länger an einem Ort auf dem Rücken, oder man führt es über die gut geölte Haut und massiert diese mit Hilfe des Unterdrucks im Glas. Bei Gelenkproblemen werden kleinere Schröpfgläser rund um das schmerzende Gelenk aufgestellt und beim Karpaltunnelsyndrom kann es durchaus hilfreich sein, auch mal den kräftigen Muskel unterhalb des Daumens zu schröpfen. Die Schröpfgläser können zudem bei Migräne, Rheuma und Bandscheibenproblemen helfen, bei einem Hexenschuss, Knieproblemen, Bluthochdruck, Bronchitis, Müdigkeit, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Verdauungsproblemen.
Gua Sha – mehr als ein Schönheitsritual! Für die Selbstanwendung zu Hause braucht das Schröpfen allerdings ein bisschen Übung oder eine Einführung durch eine Fachperson. Einfacher ist die Anwendung der Gua-Sha-Scheibe anstelle des Schröpfglases. Gua Sha heisst Schaben. Die Methode stammt aus der chinesischen Medizin und ist so simpel wie effizient: Man ölt die Haut ein und zieht lange Striche mit einem Porzellanlöffel, einer abgenutzten Münze oder einer glatten Steinscheibe über verspannte Hautstellen oder Triggerpunkte. Durch den Druck und das Schaben werden die Faszien gelöst und die Durchblutung im Gewebe angeregt. Wie beim Schröpfen entsteht durch das Schaben mit der runden Kante des Löffels ein Unterdruck, was eine leichte Entzündung verursacht. Die roten bis violetten Striche, die auf der Haut bestehen bleiben, gehören zum Therapiereiz dazu und klingen nach wenigen Tagen ab.
Im Moment findet man im Internet unzählige Videos zur Anwendung von Gua Sha, weil die Methode bei jungen Frauen als Beauty-Tipp im Trend liegt. Mit den schmucken Scheiben aus Rosenquarz, Bergkristall oder Jade wird sanft das Gesicht massiert und Cellulite behandelt. Doch echtes Gua Sha geht anders. Es ist eine Methode, um Verspannungen des Nackens und des Rückens zu lösen und die Durchblutung kräftig anzuregen.
Wenn Ihnen also ein Triggerpunkt zu schaffen macht oder sich der Nacken wie Beton anfühlt, braucht es nicht zwingend ein Schmerz- oder Wärmepflaster. Die Hitze lässt sich auch mit Reibung erzeugen. Ölen Sie die Haut ein, drücken Sie jemandem eine Gua-Sha-Scheibe in die Hand und lassen Sie sich die Stelle abschaben. Zuerst mit wenig Druck und dann steigern, aber immer so, dass es sich angenehm anfühlt. Dank dem Internet-Hype findet man die Gua-Sha-Scheiben inzwischen fast überall dort, wo es Kosmetikartikel gibt. Sogar im Grossverteiler.