Sabine Hurni über die Kuhmilch, das missverstandene Lebensmittel
R und um die Milch gibt es so viele Wahrheiten, Ansichten und Philosophien, dass viele Leute gar nicht mehr wissen, ob sie sich mit dem Konsum von Kuhmilch nun einen Gefallen tun oder sich frühzeitig ins Grab bringen. Kein anderes Lebensmittel wird so emotional und kontrovers diskutiert, obwohl die Ernährungswissenschaft den Konsum von täglich ein bis drei Portionen Milch und Milchprodukten ausdrücklich empfiehlt.
Milch enthält neben gut verfügbarem Protein lebensnotwendige Vitamine und Mineralstoffe wie Kalzium, Vitamin B2 und B12, Vitamin A, Folat, Magnesium, Phosphor und Jod. Die Milch ist somit ein Nahrungsmittel, das überaus wertvoll für den Körper ist, vorausgesetzt, man kann sie verdauen. Die Verdaubarkeit ist eine Frage der Zubereitung der Milch, der Qualität und abhängig von den körperlichen Voraussetzungen. Es macht einen Unterschied, ob ich die Milch kalt aus dem Kühlschrank, im Birchermüesli oder als heisse Gewürzmilch trinke. Denn Milch ist nicht gleich Milch, genau wie Mensch nicht gleich Mensch ist.
Weit weg von lebendiger Nahrung
Aus Sicht der alten Gesundheitslehre Ayurveda nährt Milch alle Gewebearten des Körpers. Das Blutplasma, das Blut, die Muskeln, das Fett, die Knochen, das Knochenmark und die Fortpflanzungsflüssigkeiten. Deshalb wird die Milch in den östlichen Lehren wie der chinesischen Medizin (TCM) und Ayurveda (indische Naturheilkunde) als eines der wertvollsten Lebensmittel angesehen. Sie ist vom Geschmack süss, wirkt aufbauend und eher verlangsamend. Bei zu viel Trockenheit im Körper kann der Konsum von Milch das Gewebe befeuchten, sie erdet, hilft bei Unruhezuständen und Schlafstörungen. Darüber hinaus ernährt die Milch unsere Kinder während des ersten Lebensjahres.
Milch, wie wir sie im Handel kaufen können, entspricht jedoch nicht dem, was damals, als die alten Schriften verfasst wurden, noch als Milch verstanden wurde. Nämlich die reine Rohmilch. In ländlichen Regionen ist es sicher anders, doch bei uns in der Stadt gibt es keinen Ort, wo ich Rohmilch erhalte, weil sie nur kurze Zeit haltbar ist. Das Milchregal ist gefüllt mit pasteurisierter, hochpasteurisierter, uperisierter, homogenisierter, teilentrahmter und vollentfetteter Milch. Seit einigen Jahren ergänzt mit Milchersatzprodukten von Hafer- über Mandel- bis hin zum Sojadrink. Ich finde also alles Mögliche, nur nicht das Ursprungsprodukt. Gottlob befindet sich im Sortiment von Coop und Migros eine Demeter-Milch, die zwar pasteurisiert, aber wenigstens nicht homogenisiert ist. Der Rahm schwimmt oben auf, weshalb man die Milch vor dem Gebrauch gut schütteln muss.
Mit jedem Verarbeitungsschritt geht ein bisschen was von der Energie des Ursprungsproduktes verloren. Was herauskommt, ist ein standardisiertes Produkt, das zwar nachweislich noch dieselben Nährstoffe enthält, auf der energetischen Ebene jedoch nichts mehr mit lebendiger Nahrung zu tun hat.
Die richtige Zubereitung von Milch
Die alten Schriften gehen noch einen Schritt weiter und geben vor, wie die Milch zubereitet und kombiniert werden muss, damit sie weder schleimproduzierend wirkt noch den Durchfluss durch die Kanäle, das heisst die Blutgefässe und Lymphbahnen, behindert. Für die Zubereitung sind folgende Anweisungen vermerkt:
- Milch immer kurz aufkochen, damit das Fett zur besseren Verdauung und Aufnahme in die Zellen verdünnt wird. Das Kochen während zwei bis drei Minuten tötet allfällige Keime in der Rohmilch ab, jedoch nicht die wichtigen Enzyme. Wer pasteurisierte Milch verwendet, lässt sie kurz aufwallen, bis sie schäumt.
- Milch nie mit Obst, Gemüse oder Eiweissen konsumieren, weil sie sich im Magen schlecht mit diesen Nahrungsmitteln mischt. Milch soll ausschliesslich zusammen mit Getreide, Trockenfrüchten, Nüssen und Gewürzen genossen werden. Verwenden Sie für die Béchamel-Sauce, den Wähenguss und den Kartoffelgratin verdünnten Rahm.
- Bevorzugen Sie nicht-homogenisierte Milch. Beim Homogenisieren wird die Milch so stark geschleudert, dass die Fettkügelchen so klein werden, dass sie nicht mehr oben aufschwimmen. Milch mit dem Demeter-Label ist nicht homogenisiert.
- Trinken Sie kleine Mengen Vollmilch anstelle von fettarmer Magermilch. Zwei Deziliter Milch pro Tag sind genug.
- Kochen Sie die Milch mit einer Kardamomkapsel. Das Gewürz hilft bei der Verdauung der Milchproteine. Mit einem Stück Zimt unterstützt man die Kohlenhydratverdauung.
- Trinken Sie die heisse Gewürzmilch entweder direkt vor dem Schlafen oder morgens nüchtern.
Milch muss man verdauen können
Dass viele Leute die Milch oder Gerichte mit Milch nicht vertragen, liegt weniger an der Milch als am Umgang mit dem Lebensmittel. Wer Milch mag, davon jedoch Blähungen bekommt, sollte testen, ob die nicht-homogenisierte Vollmilch, aufgekocht mit etwas Kardamom, bekömmlicher ist. Die Tasse Milch aus dem Kühlschrank oder das Frühstücksmüesli mit Milch und rohen Früchten erfordert vom Körper eine enorme Verdauungsleistung. Ist diese nicht vorhanden, wird die wertvolle Milch zu einer Belastung für den Körper. Ein schwer verdaubares Lebensmittel wie die Milch muss dem Körper zugänglich gemacht werden. Ansonsten lässt man sie lieber weg und greift zu Mandel- oder Hafermilch.
Sabine Hurni arbeitet als Naturheilpraktikerin und Lebensberaterin in Baden, wo sie auch Ayurveda Kochkurse, Lu Jong- und Meditationskurse anbietet.