Sabine Hurni über das Mantra – die Kraft der Wiederholung

Das Gehirn denkt und rattert unentwegt, wie eine Maschine, die nächstens zu überhitzen droht. Alle möglichen und unmöglichen Gedanken ziehen in einer nicht enden wollenden Schlaufe durch den Kopf. Wer schon mal ausprobiert hat, die Gedanken zu stoppen, zum Beispiel mit Hilfe einer Meditation, wird ernüchtert festgestellt haben, dass dies nicht so einfach ist. Wir können ans Nichtdenken denken, wir können jedoch nicht gedankenlos sein – oder nur mit sehr viel Meditationspraxis.

 

Die Mönche und Nonnen in Klöstern aller Welt, die Yogis und unzählige Menschen auf ihrem spirituellen Weg, haben im Verlauf ihrer Einkehr in die Stille die Möglichkeit entwickelt, das Gehirn zu überlisten. Man gibt ihm etwas zu tun, damit es nicht abschweift. Zum Beispiel indem man Worte, Silben oder ganze Sätze wiederholt. Dies zum Beispiel mit der Hilfe eines Rosenkranzes, einer Mala-Kette oder mental. Während der Meditation oder im Gebet repetiert und rezitiert man Perle um Perle Worte, Sätze und Silben, die dabei helfen, die Gedanken zu kontrollieren und so den Geist zu beruhigen. «Ein ruhiger Geist, der frei ist von Emotionen und negativen Gedanken, gleicht einem klaren Bergsee», pflegte mein tibetischer Meditationslehrer zu sagen. Um den aufgewühlten Geist zu beruhigen, bedarf es Stille, Einkehr und das Beobachten der Gedanken. Oft hilft das Wiederholen von stärkenden Worten, diesen Zustand zu erreichen und das Denken in eine bestimmte Richtung zu bringen. Zum Beispiel in Form eines Mantras.


Spiritueller Wortklang

Ein Mantra hat immer einen spirituellen Hintergrund. Man bittet mit dem Klang der Silben und Worte um göttliche Hilfe, um eine Verbindung mit höheren Energien oder um Transformation. Die kraftvollen Mantras gelten als Werkzeuge, die den Geist zentrieren und uns mit dem höheren Selbst verbinden. Im Sanskrit bedeutet Mantra «Spruch, Lied, Hymne» und steht für eine heilige Silbe, ein spirituelles Wort oder einen göttlichen Vers. Durch das sprechende, singende, flüsternde oder auch in Gedanken Wiederholen dieser Silben, entsteht im Körper eine Vibration oder ein Klang, mit einer spirituellen Kraft.

Das Mantra ist eine bestimmte Schwingung, in die man sich hineinbegibt. Es dient der Meditation, der Konzentration, der Zentrierung, der Achtsamkeit und der persönlichen Entwicklung. Das regelmässige Rezitieren hilft, negative Gedanken oder Gewohnheiten umzukehren in positive, kann die praktizierende Person mit einer höheren Kraft oder Energie verbinden und sie an ihre Stärken und Ziele erinnern.


Persönliches Mantra finden

Es gibt einige sehr bekannte, kraftvolle Mantras aus der buddhistischen und hinduistischen Lehre. Wählt man ein Mantra aus den alten Traditionen, so strahlen diese Silben oft in einer tiefen und kraftvollen Energie, weil so viele Menschen vor uns diese Worte über Jahre hinweg wiederholt haben. Man kann die Silben nur dem Sinn nach ungefähr übersetzen:

«Om-Ah-Hum» ist eines der höchsten Mantras aus dem tibetischen Buddhismus und symbolisiert den erleuchteten Körper, den erleuchteten Geist und die erleuchtete Rede. OM schwingt in der Energie des Daseins, AH steht für das gegenseitige aufeinander einwirken und HUM ist die Kreativität, der Schutz, das Feuer und die Bewusstheit. Man kann die Silben einzeln, beim Ein- und Ausatmen still benennen, oder man atmet ein OMAH ein und ein HUM aus.

«Om mani padme hum» ist wohl das bekannteste buddhistische Mantra. Es steht für Mitgefühl und die Befreiung des Geistes von negativen Gedanken. OM symbolisiert den Anfang von allem. Es ist der Urklang des Universums. MANI bedeutet Juwel und steht für Liebe und Mitgefühl. PADME erinnert daran, unser Potenzial zu entwickeln und Gutes zu tun und HUM schwingt in der Energie und der Idee, dass wir alle miteinander verbunden sind. Dieses Mantra kann man singen, murmeln oder im Stillen rezitieren.

«Om tare tuttare ture soha» für Trost, Schutz und Führung. TARE ist die Retterin und erinnert daran, dass es in schwierigen Zeiten immer jemanden gibt, der hilft. TUTTARE bedeutet Schutz vor Gefahren, TURE ist die Hilfe und die Heilung und SOHA kann man übersetzen mit der Bekräftigung «Möge es so sein». Ein Mantra zum Singen, Murmeln oder still Repetieren.

«Sat nam» zum Erkennen und Entfalten der eigenen Stärke. Die beiden Silben bedeuten ungefähr übersetzt «Wahrheit ist mein Name» oder «wahre Identität». Man kann beim Einatmen «Sat» denken und beim Ausatmen «Nam». Auf diese Weise lässt sich das Mantra in fast jeden Spaziergang oder stillen Moment integrieren.

Ein Mantra ist wie eine Medizin, die ganz persönlich auf einen Menschen abgestimmt ist. Es muss nicht zwingend ein traditionelles Mantra sein, mit dem wir unterwegs sind, wichtig ist nur, dass es sich gut anfühlt und die gewünschte Energie hervorruft. Ein Mantra kann auch ein positiver Begriff sein, wie zum Beispiel «Ich bin dankbar», «ich bin ruhig und fokussiert» oder «Ich bin». In der christlichen Mystik kennt man die Mantras «Komm, Gott, hilf mir» oder auch nur die Worte «Jesus Christus», die sehr hochschwingen.

Sabine Hurni arbeitet als Naturheilpraktikerin und Lebensberaterin in Baden, wo sie auch Ayurveda Kochkurse, Lu Jong- und Meditationskurse anbietet.

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