Stressmanagement – Schlüsselfunktion bei AD(H)S
AD(H)S ist weit mehr als Unruhe, Träumerei oder Konzentrationsschwierigkeit – es bedeutet auch, dass die Welt intensiver, schneller und manchmal chaotischer wahrgenommen wird. All diese Empfindungen überfordern, belasten und ermüden Betroffene. Zusätzlich reagieren sie meist intensiver auf Stress und spüren den negativen Einfluss körperlich, geistig und seelisch. Die Naturheilkunde schenkt hilfreiche Hinweise und Unterstützung, unter anderem mithilfe von Stressmanagement, Ernährung und Heilpflanzenkraft.
Laura Columberg

Ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) wird von aussen als Tagträumerei und Konzentrationsschwäche oder bei zusätzlicher Hyperaktivitätsstörung (ADHS) als motorische Unruhe beschrieben und eingeteilt. Es handelt sich aber um zwei unterschiedliche Ausprägungen des gleichen Syndroms. Heute wird deshalb bei der Diagnose nicht mehr zwischen ADHS und ADS unterschieden. Beide Beschreibungen betrachten die Thematik nur oberflächlich und werden Betroffenen nicht gerecht. Menschen mit AD(H)S erleben ihre Umwelt intensiver, bunter. Sie reagieren schneller auf äussere und innere Impulse und haben zeitweise Schwierigkeiten Reize zu filtern. Manche sprechen von Hochsensibilität oder Feinfühligkeit. Wieder andere von einer Abgrenzungsschwäche. Fakt ist, dass diese konstante Überreizung das Nervensystem überlastet und Stresssymptome verstärkt.
ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom)
- Betroffene zeigen vor allem Probleme mit der Konzentration und Aufmerksamkeit
- leichte Ablenkbarkeit, Tagträumerei, «geistig abwesend wirken»
- langsames Arbeiten, häufiges Vergessen
- Schwierigkeiten, Aufgaben zu Ende zu bringen
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-
Hyperaktivitätsstörung)
- Neben den Aufmerksamkeitsproblemen treten Hyperaktivität und Impulsivität auf
- starker Bewegungsdrang, Zappeln, Unruhe, schnelles Reden, Unterbrechen anderer
- geringe Impulskontrolle, «Handeln ohne Nachdenken», emotionale Reizbarkeit
Die Naturheilkunde bietet beiden Formen verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten. Wichtig ist dabei, dass die Individualität Betroffener gut auskristallisiert und erfasst wird. Dadurch finden sich sanfte und passende Methoden, die den Lebensalltag erleichtern können. Lassen Sie sich von einer Fachperson beraten und individuell begleiten.
«AD(H)S bedeutet nicht Schwäche, sondern ein intensiveres Erleben der Welt.»
Ernährung als Fundament für ein stabiles Nervensystem
Die richtige Ernährung wirkt wie ein sanfter Regulator auf das Gehirn. Bei AD(H)S ist die Balance zwischen aktivierenden (Adrenalin, Dopamin usw.) und beruhigenden (Serotonin, Melatonin usw.) Botenstoffen oft empfindlich gestört. Reizende und aufputschende Lebensmittel wie Koffein, Energydrinks, Zucker und Co. können intensiv und nachhaltig reizen. Daher lohnt sich eine frische, saisonale und mediterrane Ernährung. Allgemein als wertvoll betrachtet wird:
- Eiweissreiche Kost: Aminosäuren wie Tyrosin und Tryptophan – die in Hülsenfrüchten, Nüssen, Eiern, Quark, Fisch usw. vorkommen – unterstützen die beruhigende Neurotransmitterproduktion.
- Stabiler Blutzucker: Schwankungen im Blutzucker können Hyperaktivität und Reizbarkeit verstärken. Vollkornprodukte, Gemüse, Hülsenfrüchte und gesunde Snacks wie Nüsse, Apfel mit Mandelmus oder Quark sorgen für gleichmässige Energie und Nervenkraft.
- Vermeidung von Reizstoffen: Weizenprodukte, Koffein, Zucker und stark verarbeitete Lebensmittel verstärken innere Unruhe. Auch künstliche Farbstoffe und Zusatzstoffe (E-Nummern) scheinen Symptome verstärken zu können.
Ausserdem bewährt sich die ernährungsspezifische Integration von Bitterstoffen wie Chicorée, Löwenzahn, Artischocke, Rucola. Die Entlastung der Leberfunktion und eine gute Verdauung senken den Stresspegel im Körper. Zudem wirken Bitterstoffe erdend und zentrierend. Diese Wirkung kann insbesondere bei Unruhe, Konzentrationsschwäche aber auch Abgrenzungsschwäche hilfreich sein.
Stressmanagement: Lebensführung und Selbstregulation
Menschen mit AD(H)S neigen dazu, schnell in chaotische Lebensmuster zu geraten. Termine werden vergessen, Prioritäten setzen fällt schwer und kleine Aufgaben wachsen zu unüberwindbaren Bergen an. Stress entsteht so nicht nur durch äusseren Druck, sondern durch das Gefühl, «es nicht im Griff zu haben». Diesen Empfindungen können folgende Stressmanagement-Tipps entgegenwirken:
- Feste Tagesrhythmen: Regelmässige Schlaf- und Essenszeiten sind für das Nervensystem wie ein Anker. Sie schaffen Sicherheit und reduzieren Überforderung.
- Kleine Schritte statt Perfektionismus: To-do-Listen sollten realistisch und in kleine Etappen unterteilt sein.
- Pausen als Pflicht: Viele AD(H)S-Betroffene arbeiten in «Hyperfokus-Phasen» bis zur Erschöpfung. Geplante Mikro-Pausen (5 Minuten Bewegung, Atemübung, Tee trinken, Meditation) wirken wie ein Neustart für das Nervensystem.
- Körperliche Bewegung: Sport und Bewegung sind wertvolle Helfer. Besonders günstig: rhythmische Bewegungen wie Joggen, Tanzen, Radfahren oder Yoga. Dabei sollte die totale Verausgabung gemieden werden.
- Soziale Unterstützung: Austausch mit Freunden, Familie und Kollegen.
Stressmanagement: Achtsamkeit und Resilienz
Für ADHS-Betroffene ist es oft schwer, «im Moment zu bleiben». Gedanken springen, Impulse drängen. Achtsamkeitstraining hilft, wieder einen Ruhepol zu finden:
- Meditation in kleinen Einheiten: Statt 30 Minuten still zu sitzen lieber 5 Minuten Atemmeditation.
- Atemübungen: Bauchatmung oder die 4-7-8-Methode wirken sofort regulierend auf Herzschlag und Nervensystem.
- Körperarbeit: Yoga, Qigong oder Tai-Chi, Massagen und Fussreflexzonentherapie.
- Waldbaden und Gartenarbeit senken den Stresspegel und verbessern die Konzentrationsfähigkeit.
- Digital Detox: Digitale Reizüberflutung verstärkt AD(H)S-Symptome: feste handyfreie Zeiten, klare Grenzen für Social Media und bewusste Pausen von Bildschirmarbeit.
- Achtsamkeit: im Moment bleiben, Gedanken beruhigen.
- Selbstfürsorge: eigene Bedürfnisse wahrnehmen und respektieren.
Heilpflanzen und Mikronährstoffe:
Ergänzend kann mithilfe von Heilpflanzenkraft individuelle Entlastung geschenkt werden.
Der Ginkgo (Ginkgo biloba) zählt zu den bekanntesten Pflanzen in diesem Bereich. Die enthaltenen Flavonoide und Terpenlactone (sekundäre Pflanzenstoffe) verbessern die Durchblutung und die Sauerstoffversorgung des Gehirns. Dadurch kann die Konzentrations- und Gedächtnisleistung gesteigert werden.
Auch Baldrian (Valeriana officinalis) wird eingesetzt, insbesondere bei innerer Unruhe und Schlafstörungen. Die enthaltenen Valepotriate (sekundäre Pflanzenstoffe im Baldrian, verantwortlich für die Heilwirkung) und ätherischen Öle wirken beruhigend auf das zentrale Nervensystem und fördern einen erholsamen Schlaf. Tagsüber eingenommen wirkt der Baldrian als Filter und hilft, einprasselnde Reize abzufangen und zu dämpfen. Eine weitere wertvolle Heilpflanze ist die Passionsblume (Passiflora incarnata). Ihre Flavonoide entfalten angstlösende und ausgleichende Effekte, welche bei emotionaler Reizbarkeit und impulsivem Verhalten lindernd wirken können.
Zunehmend Beachtung findet auch Johanniskraut (Hypericum perforatum), dessen Hypericin und Hyperforin nicht nur für die Farbe des Johanniskrauts verantwortlich sind, sondern auch für seine stimmungsaufhellende Heilwirkung. Da AD(H)S häufig mit Stimmungsschwankungen oder leichter depressiver Verstimmung einhergeht, kann Johanniskraut hier einen stabilisierenden Effekt haben – allerdings muss wegen möglicher Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten Vorsicht geboten sein. Fragen Sie eine Fachperson nach Rat.

Das Johanniskraut (Hypericum perforatum).
Als sanfter Helfer gilt Melisse (Melissa officinalis). Ihre ätherischen Öle entfalten beruhigende Eigenschaften und fördern die Entspannung, was bei Hyperaktivität und Nervosität günstig sein kann. Die Wilde Möhre (Daucus carota) ist wenig bekannt – eine wundervolle Helferin bei AD(H)S. Insbesondere wenn die Reizwahrnehmung erhöht ist und Betroffene davon sprechen, dass sie alles in sich aufnehmen, egal ob sie wollen oder nicht.
Auch die Mikronährstofftherapie bietet verschiedene Ansätze. Besonders hervorzuheben ist Magnesium, das als «Anti-Stress-Mineral» gilt. Es ist an der Regulierung der Nervenreizleitung beteiligt und kann innere Unruhe, Nervosität und Reizbarkeit mindern. Ein Mangel äussert sich häufig in Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen und erhöhter Reizbarkeit – Symptome, die sich mit AD(H)S überschneiden können. Auch Zink und Eisen spielen eine zentrale Rolle. Sie sind wichtig für die Bildung und Regulation von Neurotransmittern. Insbesondere Kinder mit niedrigen Ferritinwerten (Speichereisen) zeigen häufiger AD(H)S-Symptome. Unter den Vitaminen ist vor allem die B-Gruppe wichtig. Vitamin B6 kann die Konzentration und Stimmung stabilisieren. Auch Vitamin B12 und Folsäure sind essenziell für die Nervenfunktion.
Darüber hinaus haben Omega-3-Fettsäuren – zwar kein Vitamin, aber ein essenzieller Nährstoff – eine grosse Bedeutung. Besonders die Fettsäure DHA trägt zur gesunden Entwicklung des Gehirns bei, während EPA entzündungshemmend wirkt und die Signalübertragung im Nervensystem verbessert. AD(H)S-Betroffene zeigen häufig niedrigere Spiegel an Omega-3-Fettsäuren. Nicht zuletzt spielt auch Vitamin D3 eine Rolle. Es beeinflusst die Gehirnentwicklung, die Stimmungslage und die Regulation von Neurotransmittern. Lassen Sie sich von einer naturheilkundlichen Fachperson ganzheitlich beraten und finden Sie stimmige, zu Ihnen passende Heilpflanzen, Mineralstoffe und Einnahmeformen.
«Ein geerdeter Alltag aus guter Ernährung, Rhythmus und Achtsamkeit schenkt Menschen mit AD(H)S innere Balance.»
AD(H)S und Stress sind untrennbar miteinander verbunden. Je besser Betroffene lernen, Stress individuell zu managen, desto mehr können sie ihre besonderen Fähigkeiten – Kreativität, Energie, Empathie, Ideenreichtum, Lebendigkeit – entfalten und leben. Es geht dabei nicht darum, AD(H)S «wegzumachen», sondern die innere Balance zu stärken. Stressmanagement ist der Schlüssel, damit Betroffene nicht im Chaos untergehen, sondern ihre Stärken entfalten können. Mit einer rhythmischen Lebensweise, stabilisierender Ernährung und achtsamer Selbstfürsorge wird aus dem Gegner Stress ein Impulsgeber, der zu grossem Wachstum und Entwicklung führen kann.