Endlich wieder mal gut schlafen
Schlaf ist mehr als nur ein Mittel zur Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit, das überwacht, kontrolliert, mit Medikamenten herbei gezwängt und möglichst effizient eingesetzt werden muss. Guter Schlaf ist ein Geschenk der Götter – und Schlafstörungen sind Seelenbotschaften an uns, dass wir im Leben etwas verändern müssen.
Markus Kellenberger

Schon wieder habe sie nicht gut geschlafen, sagte mir eine Freundin, die ihre Nächte seit kurzem mit einem sogenannten Schlaftracker überwacht. Das Gerät habe ihr nach dem Aufwachen verraten, dass die Einschlafphase zu lange und die Tiefschlafphase zu kurz gewesen sei. «So, so», meinte ich dazu nur und fragte: «Und wie hast du dich heute Morgen gefühlt?» Eigentlich gut, sagte sie, aber das mit dem Schlaf, sei halt so eine Sache, da müsse man schon aufpassen, und deshalb werde sie den Tracker in der Nacht weiterhin tragen. Meine Bekannte reiht sich damit in eine immer grösser werdende Zahl von Menschen ein, die sich selbst nicht mehr traut. Sie verlassen sich nicht mehr auf ihr Gefühl, sondern auf Apps und KI-gestützte Wundergeräte, die ihnen sagen, ob sie sich genug bewegt, gegessen, getrunken oder eben gut geschlafen haben. Gerade um letzteres, den Schlaf, hat sich ein regelrechter Hype und ein lukrativer Markt entwickelt, der vom schlaffördernden Pyjama bis hin zu pharmazeutischen Produkten und eben auch Schlaftrackern alles Denkbare anbietet.
Schlafstörungen sind Seelenbotschaften
Denn Tatsache ist: Viele Menschen schlafen hin und wieder miserabel, und bei einigen von ihnen ist die Nachtruhe sogar chronisch gestört. Da ist es nur menschlich, diese Schlafstörungen mit Hilfe unterschiedlichster Mittel so schnell wie möglich wieder loswerden zu wollen. Doch je mehr wir dem «gesunden» Schlaf nachjagen, desto ferner rückt er. Denn: Schlafstörungen sind im Grunde eine gesunde Reaktion darauf, dass im Leben irgendetwas nicht mehr stimmt. Faktoren wie Stress in der Beziehung, am Arbeitsplatz oder überhaupt zu viel des Wollens seien hier nur exemplarisch aufgezählt.
Seit jeher ist der Schlaf ein Spiegel unserer seelischen Verfassung. Was uns am Tag bedrängt, was wir beiseiteschieben oder nicht auszusprechen wagen – es kehrt nachts wieder. Träume sind nämlich mehr als nur ein Hirnrauschen. Sie sind Botschaften, manchmal leise und manchmal drastisch, die uns auffordern, innezuhalten und hinzusehen. In diesem Sinne sind Schlaflosigkeit und schlechte Träume keine Feinde, sondern ernstzunehmende Warner. Wer das versteht, kann damit beginnen, nicht nur das Symptom zu bekämpfen, sondern den Weg zur Seelengesundheit zu öffnen. Das kann bedeuten, mit den eigenen Träumen zu arbeiten und sie zu befragen. Es bedeutet aber auch, den eigenen Lebensrhythmus zu hinterfragen und sich verdrängten Schmerzen, Sehnsüchten, Schuldgefühlen oder schwierigen Veränderungswünschen zu stellen.
Den Schlaf zum heiligen Raum machen
Gute Helfer auf diesem nicht einfachen Weg sind Pflanzengeister, die den Schlaf nicht erzwingen, sondern sanft begleiten. Lavendel, Hopfen, Melisse, Baldrian, Passionsblume und Kamille haben in der Volksmedizin eine lange Tradition, und werden von ihr nicht nur als Wirkstofflieferanten verstanden, sondern als Wesenheiten, mit denen man sich verbündet. Wer einen Lavendelsack unter das Kopfkissen legt, kann ihn wie eine schützende Hand wahrnehmen. Und wer sich vor dem Zubettgehen mit einer Tasse Melissentee ans Fenster stellt, der lädt die Ruhe der Nacht ein, mit ihm zu sein. Diese Haltung, das bewusste Hineinspüren und sich mit den Pflanzengeistern zu verbinden, ist es, was die Pflanzenheilkunde spirituell macht. Sie kann helfen, dem Schlaf wieder das zu geben, was er ist: ein heiliger Raum, der uns die Chance zu Erkenntnis und Veränderung schenkt.
Wenn wir beginnen, den Schlaf nicht mehr nur als lästige Notwendigkeit zu sehen, sondern ihn als lehrenden Gefährten annehmen, verändert sich unsere Haltung zu ihm und zum Leben. Dann können wir ihn nicht nur willkommen heissen, wenn er «gut» gelingt, sondern ihn auch dann als Freund respektieren, wenn er sich sträubt, weil er uns auf etwas aufmerksam machen will. Und so können wir eines Nachts vielleicht wieder sagen: Ich schaue nicht mehr auf meinen Tracker – sondern ich höre meinem Schlaf wieder zu.

Kraftvolle Helfer für eine ruhige Nacht
Schlaf lässt sich nicht herbeizwängen, schon gar nicht, wenn die Alltagsprobleme noch im Kopf herumschwirren. Die folgende fünf Tipps helfen Ihnen, loszulassen und zur Ruhe zu kommen:
- Die Kraft der Pflanzen: Trinken Sie abends eine Stunde vor dem zu Bett gehen einen Tee aus Melisse, Hopfen, Lavendel oder Baldrian. Alternativ tut es auch das altbewährte Glas mit warmer Milch und Honig oder eine heisse Schokolade.
- Die Kraft der Rituale: Zünden Sie vor dem Schlafengehen eine Kerze an und nehmen Sie sich zehn Minuten Zeit für ein Gebet, eine kleine Meditation oder einfaches, tiefes und ruhiges Ein- und Ausatmen. Das beruhigt Herz und Geist nachhaltiger, als sich direkt nach der Lieblingsserie ins Bett zu legen.
- Die Kraft der Dunkelheit: Vermeiden Sie eine Stunde vor der Nachtruhe helles, grelles Licht. Lassen Sie den Abend statt mit Medienkonsum mit Kerzenlicht ausklingen.
- Die Kraft der Träume: Legen Sie sich ein Notizbuch aufs Nachttischchen und notieren Sie nachts oder am Morgen, was sich in den Träumen gezeigt hat.
- Die Kraft des Atmens: Wenn Sie im Bett liegen und das Licht gelöscht haben, atmen Sie vier Sekunden ein und sechs Sekunden aus – zehn Mal. Das ist wie ein Gebet an den Schlaf: leise, friedlich, verbindend – und entspannend.
Buchempfehlung
Rahul Jandial: «Warum wir träumen – Was uns unser Gehirn im Schlaf über unser Leben offenbart», Verlag Rowohlt, 2024