Atme dich gesund!

In jedem Moment unseres irdischen Lebens atmen wir. Doch nicht immer atmen wir richtig. Oft atmen wir flach und verspannt. Mit Atemübungen können wir lernen, freier zu atmen und unsere Gesundheit massgeblich beeinflussen.

Lioba Schneemann

Alles im Leben ist Rhythmus», schrieb Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie. Dies trifft auch auf den Atem zu. Der Atem gibt uns den Lebensrhythmus vor. Unser Atem ist die Brücke zwischen Körper und Seele. «Unser emotionaler und körperlicher Zustand spiegelt sich in unserer Atmung wieder. Unsere Atmung wird laufend von inneren Faktoren wie etwa Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen und äusseren Faktoren wie z. B. Geräuschen, Temperatur oder Mitmenschen beeinflusst. Wenn wir entspannt sind, atmen wir anders als wenn wir ängstlich oder unruhig sind. In der Regel können wir darauf vertrauen, dass der Körper am besten weiss, wie er zu atmen hat», sagt Martin Prätzlich, Leiter des Begegnungszentrums der Krebsliga beider Basel, der zudem als MBSR- und Yogalehrer auch Atemkurse in Basel anbietet.


Bewusst Atmen
Bewusstes Atmen ist das einfachste Mittel, um ganz in der Gegenwart anzukommen. Nicht umsonst wird der Atem in der Meditation als «unser bester Freund» bezeichnet, der einen nie verlässt. Oft ist es nur ein «Sicherinnern», dass er immer da ist. Leider atmen viele Menschen flach im Alltag, jedoch lässt sich bewussteres Atmen mit Übungen trainieren. In allen Traditionen ist der Atem ein Hilfsmittel, mit dem bewusst gearbeitet wird, sei es im Yoga, Tai-Chi oder bei der Praxis der Achtsamkeit. Die Ausatmung ist ein wichtiger Schlüssel zur Entspannung, die wir im ganzen Körper spüren: die Muskeln entspannen sich, das Herz schlägt langsamer, der Blutdruck sinkt und die Aktivität der Schweissdrüsen nimmt ab. «Atmen wir auf eine bestimmte Art und Weise, zum Beispiel ruhig langsam in den Bauch, wie wir es in einem entspannten Zustand tun würden, können wir unserem Körper signalisieren, dass er in Sicherheit ist und sich entspannen darf», so der Psychologe.


Atme ich richtig?
Die einfachste Technik, ist die, einige Male tief durchzuatmen. Dabei kann man sich räkeln, strecken und gähnen – empfehlenswert etwa nach einer längeren Arbeitsphase, um wieder Geist und Körper zu entspannen.

Jedoch kann man sogar «falsch» atmen. «Wenn es einen Aspekt beim Atmen gibt, den man als richtig bezeichnen kann, dann jenen, dass wir die meiste Zeit durch die Nase atmen sollten», erklärt der Yogalehrer Martin Prätzlich. «Man schätzt, dass die Hälfte aller Menschen hauptsächlich durch den Mund atmet.» Bei der Nasenatmung werde die Luft gefiltert, erwärmt und befeuchtet, somit zur besseren Sauerstoffaufnahme aufbereitet. Daneben werde die Luft gereinigt und somit Keime abgewehrt. «Daneben wird durch eine Nasenatmung die Regulation des Blutdrucks und der Herzfrequenz beeinflusst. Atmen wir durch den Mund, fallen all diese gesundheitlichen Vorteile weg», so Prätzlich. «Leider gewöhnt man sich rasch an die Mundatmung, mit möglichen fatalen Folgen: abnorme Gesichts- und Zahnentwicklung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Müdigkeit, Mundgeruch, Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Entzündungen, Schlafapnoe, Schnarchen, Stress und Karies werden unter anderem mit der Mundatmung assoziiert.»

Neuere Studien zeigten, dass der Rhythmus der Nasenatmung sich mit Aktivitäten in bestimmten Gehirnregionen wie der Amygdala und dem Hippocampus synchronisiert, was bei der Mundatmung ausbliebe. Eine bessere Emotionserkennung und eine gesteigerte Gedächtnisleistung werde mit der Nasenatmung in Verbindung gebracht. «Das zeigt deutlich, wie die Atmung sich ganz unmittelbar auf grundlegende Verarbeitungsprozesse des Gehirns auswirkt und einem auch so einen Weg bietet, diese Prozesse gezielt zu beeinflussen. Somit ist es kaum verwunderlich, dass im Energiesystem des Yogas die Nase eine besonders wichtige Rolle spielt.»

Lernen wir, unseren Atem bewusst wahrzunehmen.


Freier Atmen lernen
Empfehlenswert sind einfache Atemübungen aus dem Yoga, genannt Pranayama – (Prana = Energie, Ayama = Kontrolle), mit denen wir lernen, unseren Atem bewusst wahrzunehmen und zu steuern. «Damit aktivieren wir unsere Lebensenergie und bringen sie zum Fliessen. Verschiedene Übungen helfen, sich zu konzentrieren, wirken effektiv gegen Stress sowie entgiftend. Sie erweitern die Lungenkapazität, was einen wesentlichen Einfluss auf unsere Gesundheit und sogar unsere Lebensdauer hat. Ausserdem können die Atemübungen die Verdauung anregen und die Bauchmuskeln stärken und unsere Gesundheit positiv beeinflussen», sagt Martin Prätzlich. Beim Atmen kann man in den Bauch oder in die Brust atmen. Bei der Bauchatmung bewegt sich das Zwerchfell nach unten, sodass der Brustraum mit der Lunge nach unten erweitert wird. Die Organe werden dabei nach unten bzw. vorne bewegt, die Bauchdecke wölbt sich nach aussen. Bei der Brustatmung hebt und weitet sich beim Einatmen der Brustkorb. Beide Arten der Atmung kann man gezielt nutzen und miteinander verbinden wie bei der Yoga-Vollatmung.

Diese geht so: Atme in den Bauch ein, die Bauchdecke wölbt sich nach aussen. Dann schliesst sich die Brustatmung an. Der Brustkorb weitet sich nach vorne und zu den Flanken. Beim Ausatmen senkst du Brustkorb und Bauchdecke gleichzeitig ab. Die Ausatmung erfolgt passiv, denn das Lungengewebe zieht sich von selbst zusammen. Ganz am Schluss der Ausatmung kannst du den Bauch nochmal leicht nach innen ziehen, damit noch etwas mehr Luft aus der Lunge ausgeatmet wird. Dann wieder einatmen.

Sitali nennt sich eine weitere Atemübung. Sie soll ebenfalls beruhigen und den Geist harmonisieren sowie die Blutbahnen reinigen und bei Fieber helfen. Setze dich in eine aufrechte Position, schliesse die Augen und atme einige Male tief ein und aus. Strecke deine Zunge heraus, und wenn möglich, rolle sie längs zusammen und ziehe die Luft durch die gerollte Zunge ein. Am Ende der Einatmung den Mund wieder schliessen. Halte die Luft kurz an, dann atme tief durch die Nase wieder aus. Atme so 10- bis 20-mal und spüre die kühle Luft, wie Sie mit jedem Atemzug deinen Körper mehr und mehr abkühlt. Falls du die Zunge nicht längs einrollen kannst, kannst du auch die Zähne aufeinanderstellen und durch diese einatmen.

Hauchender Ton
Eine andere Übung arbeitet mit der Verengung der Stimmritze, um den Atemstrom zu regulieren. Dabei entsteht ein leises Strömungsgeräusch, das gut wahrnehmbar ist.

Diese Atemtechnik nennt sich Ujjayi – siegreicher Atem. Wer dies beherrscht, kann den unruhigen Geist beruhigen. Die Übung öffnet die Nasendurchgänge und befreit von Schleim, aktiviert die Atemmuskulatur und soll Erkältungskrankheiten vorbeugen. Sie wirkt erwärmend, erhöht die Vitalkapazität, zudem werden Nerven- und Verdauungssystem gestärkt. Auf geistiger Ebene wird die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung der Atmung verbessert und die Gedanken beruhigen sich. Es empfiehlt sich diese Übung mindestens 20 Minuten lang auszuführen.

Atme durch die Nase ein, und atme in der ersten Phase durch den Mund mit einem hauchenden Ton aus, als würdest du einen Spiegel anhauchen. Wiederhole das einige Male, wobei du den Hauchton verstärkst oder reduzierst, um ein Gefühl für die Verengung der Stimmritze zu bekommen. In Phase zwei atmest du durch den Mund mit dem Hauchton wieder aus, schliesst nach der Hälfte der Ausatmung den Mund, um dann durch die Nase weiter hauchend auszuatmen. Dies einige Male wiederholen mit der Veränderung der Intensität des Hauchtons. In Phase 3 atmest du nur durch die Nase mit einem hauchenden Ton aus, das wieder einige Male mit der Modulierung. Am Ende den Atem wieder fliessen lassen und Nachspüren. Wichtig ist, dass Gesicht und Kiefer locker sind. Eine mittlere Spannung, die an das Rauschen des Meeres erinnert, ist empfehlenswert.

Du kannst die Einatmung mit Ujjayi auch schrittweise üben: Beginne mit der Ausatmung durch den Mund mit einem hauchenden Ton, die Stimmritze weiter verengt lassen und durch den Mund mit einem hauchendem Ton einatmen. Dann nach der Hälfte der Einatmung den Mund schliessen und durch die Nase weiter atmen. In einer dritten Phase kannst du vollständig mit einem hauchenden Ton durch die Nase einatmen. Die Wechselatmung – Nadi Shodana (übersetzt mit Reinigung der Nadis = Energiebahnen im Körper), soll dafür sorgen, dass die Energie wieder frei durch die Bahnen im Körper strömen kann. Vor allem bei Ängsten und Unsicherheit wird eine emotionale Balance geschaffen. Die Übung ist auch ein gutes Herz-Kreislauf-Training. Auch die Lungenkapazität kann optimiert werden, so dass sie Krankheiten wie Asthma positiv beeinflussen kann.

Die Wechselatmung wirkt beruhigend.

Wichtig ist wie bei jeder Wechselatmung, dass es sich angenehm anfühlt und du entspannt bleibst. Gegebenenfalls kann man den Rhythmus anpassen, vor allem, wenn man dies etwas geübt hat. Sitze aufrecht und entspannt. Bei der rechten Hand sind Zeigefinger und Mittelfinger gebeugt, die anderen Finger sind ausgestreckt. Die linke Hand liegt auf dem linken Oberschenkel oder Knie. Atme einige Male tief in den Bauch hinein, um dich zu zentrieren. Atme dann vollständig durch die Nase aus. Führe die rechte Hand zur Nase, verschliesse mit deinem rechten Daumen das rechte Nasenloch und atme links für wenige Sekunden ein, verschliesse nun mit dem Ringfinger auch das linke Nasenloch, halte den Atem dann einige Sekunden lang an. Der rechte Ellbogen ist dicht am Körper die Schulter entspannt. Öffne dann das rechte Nasenloch und atme rechts langsam und vollständig aus. Atme rechts wieder kurz ein, halte den Atem an bei verschlossenen Nasenlöchern. Dann öffne wieder das linke Nasenloch und atme links langsam und vollständig aus. Praktiziere diese Atemübung mindestens fünf Runden lang.

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