Kopf oder Körper, das ist hier die Frage

Einen ruhigen Moment finden, sich hinsetzen, den Atem fliessen lassen und entspannt eins sein mit dem Universum, das wäre doch so schön. Meditieren ist im Trend und eigentlich ganz einfach – ausser man hat diese überdrehten Bilder aus der Werbung im Kopf.

Markus Kellenberger

Der Welt entrückt hocken sie in figurbetonter und farblich der aktuellen Wellnessmode angepasster Kleidung im Lotossitz an einsamen Stränden, unter uralten Bäumen, an den Ufern stiller Teiche, auf schwindelerregend in den Himmel wachsenden Felsvorsprüngen oder inmitten unglaublich cooler Architektur. Ihre Hände liegen locker entspannt im Schoss oder sind wie kurz vor dem Abflug seitwärts ausgestreckt, und das Licht der untergehenden Sonne hüllt sie in eine Aura, die nur die Vorstufe zum Nirwana sein kann … In Zeitschriften und auf digitalen Kanälen sind solche Bilder omnipräsent, wenn es um das Thema «Meditation» geht. Sie prägen damit ein Klischee, das viel mit unseren Sehnsüchten und unserem verinnerlichten Konsumverhalten zu tun hat, aber wenig mit echter Meditation. Denn für die braucht es keine solchen abgehobenen Settings mit diesem Hauch elitärer Spiritualität. Sich für einen stillen Moment hinsetzen, die Augen schliessen, bewusst ein- und ausatmen und zur Ruhe kommen, das geht auch in den Kleidern von gestern und an fast jedem Ort. Denn genau das, und nicht mehr und nicht weniger, ist Meditation: zu sich kommen, in sich gehen, entspannen und loslassen mitten im Chaos des Alltags. Dass das für Körper und Geist gesund ist, versteht sich von selbst, und ob dieses «Zusichkommen» am Ende drei oder dreissig Minuten dauert, ist egal.Meditieren ist nicht schwer und jede, jeder und jedes kann das lernen. Die hohe Kunst ist nicht das Meditieren selbst, sondern es auch zu tun. Und viel wichtiger als das richtige Setting ist, die Methode zu finden, die zu einem passt, denn es gibt Kopf- und Körpermenschen und natürlich solche, die beides sind.


Meditationen über den Kopf

Bei den sogenannten passiven Meditationstechniken sitzt, kniet oder liegt man möglichst bewegungslos, und konzentriert sich bei geschlossenen Augen auf den Atem. Je nach Methode liegt die Aufmerksamkeit auf Gedanken, Gefühlen, Körpereindrücken oder solchen aus der Umgebung. Zu diesen Techniken gehören unter anderem:

die Stillemeditation: Du konzentrierst dich auf den Fluss deines Atems. Gedanken und Gefühle, die auftauchen, nimmst du wertfrei zur Kenntnis und lässt sie weiterziehen, ohne an ihnen festzuhalten. Deine Aufmerksamkeit kehrt immer wieder zum Atem zurück.

die Achtsamkeitsmeditation: Auch hier konzentrierst du dich auf das Ein- und Ausatmen, nimmst aber neben den auftauchenden Gedanken auch deinen Körper und deine Umgebung war. Empfindungen, Schmerzen, Gedanken, Geräusche – alles darf sein. Du bist stiller Beobachter, ohne deine Eindrücke zu bewerten.

die Zenmeditation: Sie ähnelt in ihrem Wahrnehmungsfokus ein bisschen der Achtsamkeitsmeditation, ist aber viel strenger und dogmatischer. Hier gilt es über lange Zeiträume hinweg bewegungslos im Lotos- oder Fersensitz zu verharren und bis über die Schmerzgrenze hinaus wert- und urteilsfrei wahrzunehmen, was ist. Das verlangt viel Disziplin.


Meditationen über den Körper

Die aktiven Meditationstechniken sind perfekt für Menschen, die sinnliche und spirituelle Erfahrungen gerne über den Körper machen. Neben Yoga sind dies zum Beispiel:

die Gehmeditation: Du gehst in einem gleichmässigen Rhythmus, konzentrierst dich dabei auf jeden Schritt und synchronisierst deinen Atem dazu. So kommst du in einen Fluss, der körperliche und gedankliche Blockaden lösen kann.

die Mantrameditation: Im Sitzen, Stehen oder Gehen sagst du synchron mit der Ausatmung ein Mantra vor dich hin. Das kann das berühmte «Om» sein, aber auch ein Satz wie «ich lebe». Gerade wenn die Gedankenmühle im Kopf dreht, kann das rasch beruhigend wirken.

die Trommelmeditation: Sie ist die älteste bekannte Form rhythmisch begleiteter Meditation. Der sogenannte «schamanische» Trommelrhythmus harmonisiert Körper und Seele und löst Blockaden. Neurologisch belegt, kannst du hier sogar in tranceähnliche Zustände gelangen.

Es lohnt sich auszuprobieren, welche Methode einem zusagt, sei das im Selbststudium oder noch besser bei einem kleinen Einführungskurs, denn ein bisschen Anleitung kann nie schaden. Und dann stellt sich natürlich sofort auch die Frage: Wie oft soll ich meditieren, täglich, wöchentlich? Nehmen Sie sich nicht zu viel vor, sondern tun Sie es einfach immer dann, wenn es Ihnen einfällt, wenn es für Sie stimmt – oder es nötig erscheint. Und denken Sie daran: Es muss nicht immer «die grosse Meditation» sein.

Ich selbst schwöre zum Beispiel auf die «kleine Einkehr», wie ich sie nenne. Sie hilft mir, wenn mich aktuell gerade etwas plagt oder aufwühlt und sie funktioniert im Tram, am Arbeitsplatz, ja sogar in der Waschküche. Für die «kleine Einkehr» setze ich mich hin, schliesse meine Augen und atme ein paar Mal tief durch. Dann stelle ich mir einen gemütlichen Küchentisch vor, und dort sitze ich mir wie ein guter Freund gegenüber. Wir begrüssen uns, und lassen ein paar Augenblicke des gegenseitigen Musterns verstreichen, bevor ich die immer gleiche und einzige Frage stelle, und zwar nicht, «Was denkst du?», denn das weiss ich, sondern ganz bewusst «Was fühlst du?», denn darum geht es. Tja, und dann beschreibe ich mir, was ich fühle – und höre mir, ohne zu bewerten, ohne zu urteilen oder zu belehren, einfach zu … und glauben Sie mir, das tut richtig gut.

 

 

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Markus Kellenberger begleitet Menschen auf der Reise ins Innere und beantwortet Ihre Fragen aus den Bereichen Leben, Liebe, Glaube und Spiritualität persönlich und ganzheitlich. m.kellenberger@weberverlag.ch

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