Die Bausteine des Lebens

Kategorie: Essen


Unser Körper besteht zu rund 20 Prozent aus Proteinen. Sie gehören zu den Grundbausteinen aller Zellen. Es sind kuriose Gebilde, die aus 21 Aminosäuren aufgebaut sind. Je besser wir mit diesen versorgt sind, desto älter, glücklicher und gesünder können wir werden.



Sie sind winzig kleine Superhelden: die Aminosäuren. Ohne sie gäbe es auf dieser Erde kein Leben. Trotzdem können die wenigsten Menschen mit dem Begriff wirklich etwas anfangen. Deshalb vorab etwas vereinfacht erklärt: Der menschliche Körper, der bis zu 20 Prozent aus Eiweiss gebaut ist, braucht Aminosäuren. Diese verbinden sich zu den Proteinen (Umgangssprachlich auch Eiweisse genannt). Und die sind Energielieferant sowie Baumaterial für unseren Körper und bewirken eine Vielzahl an Wundern: gesunde Haut und schönes Haar, belastbare Knochen, starke Muskeln, stabile Blutbahnen, aber auch hochwirksame Immunzellen, Botenstoffe und Antikörper. Und während Transportproteine lebenswichtige Vitamine und Mineralien durch die Blutbahn schleusen, produziert unser Körper mit Hilfe der richtigen Proteinen Glücks-, Schlaf- und Sexualhormone. Und sie spielen wohl auch eine entscheidende Rolle in Sachen Lebensspanne.


Laut der niederländischen Gerontologin Eline Slagboom gibt es keine «Altersgene». In der Formel für ein gesundes Altern spielen gemäss ihrer Studie, die 2019 in der Fachzeitschrift «Nature» publiziert wurde, vielmehr die fünf Aminosäuren Histidine, Isoleucine, Leucine, Valine und Phenylalanine eine zentrale Rolle. Deren Spiegel im Blut soll in direktem Zusammenhang mit unserer Lebensdauer stehen. Doch es gibt noch viele weitere wichtige Aminosäuren.

Essenziell, semi- und nicht-essenziell

Heute sind rund 400 verschiedene Aminosäuren bekannt; lediglich 21 davon sind Baustoffe, die in unserem Körper zum Einsatz kommen, sprich aus denen unser Organismus alle wesentlichen Eiweissstrukturen bauen kann. Der Begriff Aminosäure wird oft als Synonym für «proteinogene Aminosäuren» benutzt. Sie gehören alle zur Gruppe der alpha-Aminosäuren und haben dieselbe Struktur, weshalb sie auch L-Aminosäure genannt werden. Dabei unterscheidet man die essenziellen Aminosäuren, die durch die Nahrung zugeführt werden müssen, von den nicht essenziellen, die vom Organismus selbst synthetisiert werden können. Mit Hilfe der essenziellen Aminosäuren sind wir in der Lage, alle nicht essenziellen Aminosäuren zu bilden, was umgekehrt nicht funktioniert! Dann sind da noch die semiessenziellen Aminosäuren. Sie werden vom Körper nur in bestimmten Situationen, zum Beispiel beim Heranwachsen, benötigt.


Besonders wichtig ist Arginin, eine Aminosäure, die im Harnstoffzyklus entsteht, und zwar aus der Stickstoffabbau-Zwischenstufe Carbamoylphosphat, aus Ornithin und Aspartat. Ornithin ist in Fisch, Fleisch, Eier, Quark und Milch enthalten, Aspartat vor allem in Soja. Deshalb ist die Arginin-Produktion so schwierig – und der Grund für eiskalte Füsse: denn kein oder zu wenig Arginin bedeutet enge Blutgefässe. Andersherum gilt: Weil Arginin die Blutgefässe öffnet, ist dieser Lebensbaustein wichtig für die Durchblutung der Skelett- und Herzmuskulatur ebenso wie für die Libido – ein wahres Potenzmittel soll die Aminosäure sogar sein. Und sie hilft auch bei der Fettverbrennung und beim Muskelaufbau.



«Proteine sind Makromoleküle, die aus Aminosäuren aufgebaut sind. Diese bestehen hauptsächlich aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und – seltener – Schwefel.»

Fleischersatz | Heute gibt es zahlreiche fleischähnliche Produkte aus Pflanzen mit einem hohen Eiweissgehalt, wie etwa diese Sojaburger. Neben Hülsenfrüchten sind Auberginen, Hanfsamen sowie Quark sehr proteinreich, ebenso Eier, Fleisch und Fisch.



Hanf statt Fleisch

Als kleinste Bausteine von Proteinen sind alle Aminosäuren für jeden Stoffwechselvorgang des Körpers verantwortlich. Die essenziellen Aminosäuren sind dabei unentbehrlich. Landen diese nicht von unserem Teller im Magen und in der Blutbahn, macht unser Körper einen Baustopp. So werden zum Beispiel nicht mehr genügend Hormone produziert, weshalb wichtige Körperfunktionen nicht mehr gewährleistet sind. Die Folge: Wir sind schlapp, müde, traurig oder haben keine Lust mehr auf Sex.


Sehr proteinreich sind Fleisch, Fisch, bestimmte Milchprodukte wie Quark oder Parmesan, Eier, Sojaprodukte, Nüsse und Hülsenfrüchte wie etwa Linsen, Erbsen oder Kichererbsen. Mit Ausnahme der Hülsenfrüchte enthalten pflanzliche Lebensmittel allgemein weniger Protein als tierische und liefern dem Körper deshalb weniger essenzielle Aminosäuren. Menschen, die keine tierischen Produkte essen, sollten deshalb Aminos aus anderen Quellen zu sich nehmen. Eine gute Wahl ist Hanfprotein: Hanfsamen bestehen (ähnlich wie der Mensch) zu rund 20 bis 25 Prozent aus Protein. Dieses verfügt über alle essenziellen Aminosäuren und das in ausreichender Menge und in einem sehr guten Verhältnis zueinander (Aminosäurenprofil): Hanfprotein verfügt über ein top Fettsäurenmuster sowie über einen hohen Mineralstoff- und Vitamingehalt.


Mineralstoffe und Vitamine sind bekanntlich ebenso wichtig wie die Aminosäuren selbst. Denn auch wenn man alle 21 Hauptaminos in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung hat, kann die Produktion von Hormonen scheitern. Die Schilddrüse z. B. kommt mit der Hormonproduktion nicht hinterher, wenn ihr Selen fehlt. Denn ohne Selen funktioniert die Umwandlung des wichtigsten Schilddrüsenhormons Thyroxin in Trijodthyronin nicht. Die Folge: Der Stoffwechsel macht schlapp. Noch ein Beispiel? Ohne Zink kann Tryptophan das Glückshormon Serotonin und das Schlafhormon Melatonin nicht bilden. Dann sind wir nicht nur unglücklich, sondern schlafen auch schlecht. Sogar Depressionen können die Folge sein. Ist der Körper hingegen mit ausreichend Zink versorgt, wird Tryptophan – eine essenzielle Aminosäure - im zentralen Nervensystem zu Serotonin und Melatonin biotransformiert – und wir bleiben froh, ausgeschlafen und gesund.


«  Arginin soll ein wahres Potenzmittel sein. Es verbessert die Durchblutung und schützt so auch das Herz.»  

Was zeigt ein Aminogramm?

Das Aminogramm ist das Ergebnis eines Testverfahrens, mit dem sich die Konzentration einzelner Aminosäuren im Blut bestimmen lässt. Das individuelle Aminosäuren-Profil zeigt, mit welchen Eiweissbausteinen man gut versorgt ist und welche fehlen. Hier die Übersicht:

Die wichtigsten Aminosäuren

Alanin nicht essenzielle Aminosäure: Reguliert den Blutzuckerspiegel und spielt vor allem bei der raschen Energielieferung eine entscheidende Rolle.


Arginin semiessenzielle Aminosäure: Weitet Blutgefässe und sorgt so für einen gesunden Blutdruck.


Asparagin nicht essenzielle Aminosäure: Regt die Nierenproduktion an und unterstützt dadurch den Organismus bei der Entgiftung. Sie wirkt deshalb harntreibend und blutreinigend. Ausgangsstoff chemischer Botenstoffe (Neurotransmitter).


Asparaginsäure nicht essenzielle Aminosäure: Unterstützt die Umwandlung stickstoffhaltiger Abbauprodukte in den ungiftigen Harnstoff, der dann über die Nieren ausgeschieden werden kann. Hauptbestandteil von Synapsen und Neurotransmittern.


Glutamin nicht essenzielle Aminosäure: Dient als «Futter» für das Immunsystem und den Darm. Zuständig für den Aufbau der Muskelproteine und verhindert gleichzeitig deren Abbau. Wichtiger Bestandteil des wichtigen Radikalfängers und Entgifters Glutathion.


Glutaminsäure nicht essenzielle Aminosäure: Ausgangsstoff für Neurotransmitter wie Glutamat, das die Konzentration und Lernfähigkeit fördert, und GABA, das auf die Nervenzellen dämpfend wirkt. Beteiligt an der Entgiftung im Citratzyklus.


Glycin nicht essenzielle Aminosäure: Bestandteil von Kollagen und damit wichtig für Bindegewebe und Gelenkknorpel. Ist beteiligt an der Regulierung des Blutzuckerspiegels und an der Synthese von Gallensäure. Wichtiger Bestandteil des wichtigen Radikalfängers und Entgifters Glutathion.


Histidin semiessenzielle Aminosäure: Ist notwendig beim Aufbau eisenhaltiger Moleküle, wie dem Eisenspeicher Ferritin, und Bestandteil des Hormons Histamin, das eine zentrale Rolle bei der Abwehr gegen Fremdstoffe (Entzündungsreaktionen) spielt. Bindet das Eisen im roten Blutfarbstoff (Hämoglobin), das für den Sauerstofftransport und für die Pufferung des pH-Wertes im Blut von grosser Bedeutung ist. Für die Wundheilung und Gewebereparatur entscheidend.

Isoleucin essenzielle Aminosäure: Reguliert das Hormon Insulin und aktiviert die Ausschüttung des Wachstumshormons Somatotropin. Dient als Energielieferant und ist massgeblich beteiligt an Muskelaufbau und -regeneration.


Leucin essenzielle Aminosäure: Beteiligt am Proteinstoffwechsel in Muskulatur und Leber; hemmt gleichzeitig den Abbau von Muskelgewebe und fördert Heilungsprozesse.


Lysin essenzielle Aminosäure: Unentbehrlich für die Stabilität von Kollagen und damit Gelenken, Haut und Bindegewebe. Unterstützt die Immunabwehr gegen Viren. Hilft bei der Aufnahme von Kalzium (Zähne und Knochen).





Methionin essenzielle Aminosäure: Spielt in vielen Stoffwechselprozessen und beim Proteinaufbau eine wichtige Rolle. Ausgangssubstanz für Adrenalin, L-Carnitin und Kreatin. Wirkt antikanzerogen und antioxidativ. Methyliert Histamin, wodurch es das Gewebshormon in seiner Funktion beeinträchtigt – so können allergische Reaktionen gebremst werden.


Ornithin nicht essenzielle Aminosäure: Bestandteil des Harnstoffzyklus, der zur Ammoniakentgiftung dient. Unterstützt die Leberfunktion und wirkt potenzfördernd.


Phenylalanin essenzielle Aminosäure: Ausganssubstanz für Tyrosin und damit auch von Insulin, Melanin, dem Vorläuferstoff des Hauptpigments, und Thyroxin, dem Schilddrüsenhormon. Kann umgewandelt werden in Dopamin und Serotonin und hat dadurch eine anregende Wirkung. Wirkt schmerzlindernd und stimmungsaufhellend.


Prolin nicht essenzielle Aminosäure: Wichtiger Bestandteil von Kollagen und beteiligt an der Regeneration von Knochen- und Knorpelentzündungen. Unterstützt den Gelenkaufbau und die Geweberegeneration; blockiert den Knorpelabbau.


Serin nicht essenzielle Aminosäure: Dient als Grundbaustein vieler Membranen (hochkonzentriert in Zellmembranen des Gehirns) und spielt dadurch eine entscheidende Rolle bei der Reizübertragung der Neuronen. Beeinflusst Gedächtnis und Erinnerungsvermögen positiv.


Taurin Abbauprodukt der Aminosäuren Cystein und Methionin – eine Aminosulfonsäure, d. h. eine organische Säure mit einer Sulfonsäure- und einer Aminogruppe. Ist an vielen Stoffwechselprozessen beteiligt.


Threonin essenzielle Aminosäure: Hält die Blutgefässe elastisch. Essenziell für Bindegewebe und Knochen. Wichtig für die Produktion von Immunglobulinen und Antikörpern. Schützt Magen und Darm.


Tryptophan essenzielle Aminosäure: Bestandteil der Muskulatur, aber auch unterschiedlicher Enzyme, sowie Ausgangsstoff für Serotonin, Melatonin und Vitamin B3. Wirkt stimmungsaufhellend und schlaffördernd.


Tyrosin nicht essenzielle Aminosäure: Spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung von Hormonen und Neurotransmittern. Hat Einfluss auf Stimmung, Appetit und Energielevel. Tyrosin wird im Körper aus Phenylalamin gebildet.


Valin essenzielle Aminosäure: Fördert Aufbau und Erhalt von Muskeln. Beugt einem erhöhten Proteinabbau vor, was die Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionen und auch die Wundheilung verbessert. Regt die Insulinausschüttung an, sorgt für die Regulation des Blutzuckers und zusätzlich für eine schnelle Aufnahme aller Aminosäuren in Muskulatur und Leber.




Schutz vor Corona und anderen Erregern

Der Internist und Molekularmediziner Ulrich Strunz erklärte in seinem Buch «Blut – Die Geheimnisse unseres flüssigen Organs» lange vor vielen anderen, weshalb «Serotoninpillen» nicht helfen können: Serotonin wird in der Darmschleimhaut und im Gehirn produziert. «Weil aber das in der Darmschleimhaut produzierte Serotonin nicht ins Gehirn transportiert werden kann (dazwischen steht die Blut-Hirn-Schranke), muss sich das Oberstübchen sein Serotonin selbst machen.» Deshalb helfe Tryptophan aus der Apotheke plus Zink! «So kommt wieder Freude auf», schreibt Strunz. Denn Tryptophan werde an der Blut-Hirn-Schranke nicht aufgehalten.


Spannendes erfährt der Leser auch in seinem neuen Buch «Die Amino-Revolution». Der Arzt schreibt von der Angst, die uns empfänglicher und empfindlicher für eine mögliche Infektion macht – ein aktuelles Thema angesichts von Corona. «Tun Sie etwas gegen Ihre Angst. Mit Aminos. Mit Vitalstoffen. Bauen Sie sich eine Mauer gegen Corona und Co.!», rät Strunz.


Dass sich schwere Covid-19-Verläufe mit Aminosäuren bekämpfen lassen, darauf setzt zum Beispiel Professor Stefan Schreiber von der Uniklinik Kiel. Konkret mit einer Kombination aus Vitamin B3 und Tryptophan. Von anderen Covid-Infektionen (Sars- und Mers-CoV) sei schon länger bekannt, dass es im Krankheitsverlauf zu einem Tryptophan-Mangel gekommen sei, so Strunz. Dies wiederum habe dazu geführt, dass der Körper nicht mehr genug des Immunvitamins B3 bauen konnte. Laut der deutschen Ärztezeitung will man in Kiel nun im Rahmen der Studie «CoVit» herausfinden, ob Covid-Patienten mit zusätzlichem B3 geholfen werden kann. Strunz fragt sich: «Warum bekommen die Patienten nicht direkt Tryptophan? Besser noch: alle Aminos im Paket? Weil das Immunsystem doch genau daraus besteht?»

Sicher: Eiweisse tun uns gut. Sie halten gesund – nachweislich. Was aber trotz aller Begeisterung für die Bausteine des Lebens nicht vergessen werden darf: Mit der Zufuhr von Aminos ist es nicht getan. Für den optimalen Stoffwechsel und ein erfülltes Leben braucht es immer auch alle notwendigen Vitalstoffe sowie allgemein eine gesunde Lebensführung mit guten Sozialkontakten, ausreichend Bewegung, Sonnenlicht und frischer Luft.




Superfood | Hanfsamen enthalten alle essenziellen Aminosäuren und sind gut verdaulich. Ausserdem liefern sie wertvolle Mineralstoffe und Vitamine. Damit sind sie eine optimale Proteinquelle nicht nur für Vegetarier.


Buchtipps






Ulrich Strunz: «Die Amino-Revolution: Der Alters-Code entschlüsselt – forever young mit Eiweiss, dem Grundstoff des Lebens», Heyne Verlag 2021, ca. Fr. 27.–








Ulrich Strunz: «Blut. Die Geheimnisse unseres ‹flüssigen Organs›. Schlüssel zur Heilung», Heyne Verlag 2016, ca. Fr. 28.–









eUlrich Kübler: «Das Geheimnis der Aminosäuren und Spurenelemente» Tredition, 2016, ca. Fr. 15.–

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